Der Ring der Kraft - Covenant 06
er spürte, daß er seine innere Feuersbrunst in der Gewalt behielt. Nach und nach ließ das Schwindelgefühl von ihm ab. Seine Gefährten waren wieder greifbar und klar gegenwärtig. Der Boden unter ihm gewann wieder seine übliche Festigkeit. Die Sonne gleißte ihm in die Augen, glutete gegen seine Schläfen, so wie Lord Fouls lautloses Gelächter; sein Gesicht strömte vom Schweiß der Verzweiflung. Aber der Metheglin verlieh ihm ein gewisses Maß an Stabilität, und er stellte fest, daß er zumindest die Hitze zu ertragen vermochte. Mit Pechnases Hilfe erhob er sich auf die Füße. Er blinzelte, wandte sich nach Osten und versuchte, durchs Flimmern der Wüste in die Ferne zu spähen.
»Wird sie kommen?« meinte die Erste, ohne eine bestimmte Person anzusprechen. »Dazwischen liegt des Meeres Weite, und sie ist kein minderes Hindernis.«
»Kasreyn hat gesagt, sie pflegen zu kommen.« Linden biß sich auf die Lippen, um ihre Anspannung zu meistern, ehe sie weiterredete. »›Für ihre Kraft sind Entfernungen von geringer Bedeutung‹, hat er gesagt.« Auch Covenant erinnerte sich daran. Die Sandgorgonen eilen geschwind. Durch das Rufen einer Sandgorgone hatte man Hergrom umgebracht. Aber auf Lindens Betreiben hatte Covenant die Sandgorgone Nom schon einmal gerufen; und er war nicht von ihr erschlagen worden. Aber Nom war nicht in den Schrecken der Sandgorgonen zurückgekehrt. Weshalb sollte das Vieh also jetzt auf seinen Ruf hören? Er besaß gar keinen Anlaß zu einer so abwegigen Hoffnung – abgesehen von der Tatsache, daß Nom sich vor ihm verbeugt hatte, als er darauf verzichtete, sie zu töten.
Doch im Osten ließ sich nichts erkennen, und das Geflimmer der Hitze verwehrte den Ausblick wie ein Schleier. Nicht einmal die Augen der Riesen konnten irgendein Anzeichen dafür erkennen, daß Covenants Ruf Gehör fand.
Unerwartet brach Cails tonlose Stimme das Schweigen. »Sieh, Ur-Lord.« Mit einem Arm deutete er aufwärts, in die Richtung Schwelgensteins. Im ersten Moment glaubte Covenant, der Haruchai wolle seine Aufmerksamkeit auf den immensen, heißen, kupferroten Strahl des Sonnenfeuers lenken. Während Nachbilder der Sonne weiß und braun durch seine Sicht gaukelten, dachte er, das Brausen des Strahls sei stärker geworden, als nähre der Gibbon-Wütrich das Sonnenfeuer nun mit allem Nachdruck, um die Gefolgschaft für den Kampf zu wappnen; töte die gefangenen Dorfbewohner und Haruchai so schnell, wie sich ihr Blut auf den Boden der Heiligen Halle gießen ließ, in der das Sonnenfeuer brannte. Bei dieser Vorstellung verfärbten die grellen Flecken im Hintergrund seiner Augen sich schwarz. Seine Beherrschung geriet ins Wanken. Die Narben der Schlangenbisse an seinem Unterarm schmerzten, als wären sie wieder aufgegangen.
Dann aber erblickte er die Gefolgsleute vor dem Turm. Es waren vier; zwei von ihnen hielten ihre Rukh hoch, übten Zwang auf den Haruchai aus, den sie mit ins Freie gebracht hatten; die beiden anderen trugen Messer und Eimer. Sie hatten die Absicht, den unter ihrer geistigen Knute befindlichen Gefangenen vor den Augen Covenants und seiner Gefährten hinzumorden.
Covenant stieß einen Schrei aus, der die Luft selbst ins Schwingen zu bringen schien. Aber gleichzeitig rang er um Gefaßtheit. Nein , dachte er, nicht. Er will mich provozieren. Das Schwarz in seinem Innern brodelte. Er stemmte sich ihm entgegen, bis die Aufwühlung abebbte.
»Blankehans.« Die Stimme der Ersten klang beinahe sachlich, als ob der Anblick von Scheußlichkeiten sie beruhige. »Nebelhorn. Mich deucht, das werden wir nicht dulden.«
Die Hälfte der Haruchai eilte schon in ungestümem Lauf den Hang empor. Die Erste tat nichts, um sie zurückzuhalten. Sie bückte sich zur Erde, ergriff einen Stein, der größer war als ihre Handfläche; und im gleichen Bewegungsablauf schleuderte sie ihn nach den Gefolgschaftsmitgliedern. Der Stein prallte hinter ihnen an die Mauer und zerbarst in einen Hagel von Splittern, die mit der Schärfe von Klingen auf sie herabprasselten.
Augenblicklich befolgten Blankehans und Nebelhorn das Beispiel der Ersten. Ihre Würfe trafen so genau, daß sie einem Gefolgsmann ein Bein zerschmetterten und einen zweiten durch umherfliegende Bruchstücke verletzten. Ihre Kameraden sahen sich dazu gezwungen, den Haruchai aus ihrem Bann zu entlassen, um ihre Rukh zur Verteidigung einsetzen zu können.
Während die vier Gefolgsleute in den Tunnel zurückwichen, griff ihr Gefangener sie an. Plötzlich
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