Der Ring der Kraft - Covenant 06
auch bedrängen mag. Es gibt in der Welt auch Liebe. »Er hofft, daß wir zusammen Größeres ergeben, als jeder von uns es allein wäre.«
Härten und Hoffnung. Hoffnung und Verzweiflung. Linden wußte nicht, was geschehen würde – aber sie besaß volle Klarheit darüber, wie wichtig es war. Sie erhob sich vom Bett, ging zu Covenant und gab ihm einen nachdrücklichen Kuß. Dann kleidete sie sich eilig an, um ihm zu folgen, wohin er auch gehen mochte. Um seines Lächelns willen war sie sich mit allem abzufinden bereit.
Während sie sich flink anzog, wiederholte Cail seinen Hinweis, daß die Riesen, Haruchai und Steinhausener in der Eingangshalle warteten. »Wir kommen«, rief Covenant. Als Linden ihm zunickte, öffnete er die Tür und hielt sie ihr mit einer halb humorvollen, schwungvollen Verbeugung zum Hinausgehen auf, als wäre sie für ihn von königlichem Blut. Cail verneigte sich vor ihnen, wirkte dabei allerdings – in dem Maße, wie sein Gleichmut es zuließ – wie jemand, der etwas sagen wollte und sich fast dazu durchgerungen hatte, es endlich auszusprechen. Doch Linden sah auf den ersten Blick, daß er der Ansicht war, der richtige Moment sei noch nicht da. Sie verneigte sich ihrerseits, weil auch er inzwischen jemand geworden war, dem sie trauen durfte. An seiner Treue hatte sie nie gezweifelt, aber die Kraßheit des Urteils, durch die sich die Haruchai auszeichneten, hatte sie ihn stets als gefährlich und unberechenbar empfinden lassen. Nun jedoch sah sie in ihm einen Mann, der durch Anfechtung und Erniedrigung zu einem entscheidenden Entschluß gelangt war – einem Entschluß, von dem sie hoffte, daß sie ihn begreifen konnte.
Gemeinsam ließen Covenant, Cail und Linden die von hellsilbernem Glanz erfüllte Stätte hinter sich zurück, an der Covenant sich zum erstenmal mit der Macht der Sonnengefolgschaft gemessen hatte. Als die Helligkeit Linden beim Verlassen des Gewölbes nur noch in den Rücken schimmerte, verspürte sie eine Anwandlung von Bedauern; der Silberglanz stand für einen Teil Covenants, dessen er hatte verlustig gehen müssen. Er selbst jedoch schnitt eine finstere Miene, während er ausschritt, konzentrierte sich offenbar ganz auf das, was nun vor ihm lag. Das war seine Art, wie er auf Verlust reagierte. Und er brauchte Cail nicht zum Führer, um den Weg durch die weitläufige Festung zu finden. Für einige herbe Momente gab sich Linden dem aufgekommenen Bedauern voll hin, durchlebte es für sie beide. Dann zuckte sie die Schultern, begab sich an Covenants Seite und versuchte, sich auf das Sonnenübel gefaßt zu machen.
Der Eingangssaal stimmte kaum noch mit ihrer Erinnerung überein. Der Fußboden war unverändert zernarbt und mit Löchern durchsetzt, schwer zu begehen; aber mittlerweile sorgten zahlreiche Fackeln sowie das Sonnenlicht, das durch die zertrümmerte Tür eindrang, in der Halle reichlich für Helligkeit. Die Leichen der Gefallenen waren hinausgeschafft, das im Kampf vergossene Blut vom Steinboden aufgewischt worden. Die Verwundeten hatte man in angemessene Unterkünfte gebracht. Das war eine so deutliche Verbesserung der Verhältnisse, daß man wieder zu glauben imstande war, Schwelgenstein könne einstmals wieder bewohnbar sein.
In der Nähe des Eingangs hatten sich die Menschen versammelt, die den Zweifler begleitet oder für ihn gekämpft und es überlebt hatten; die Erste der Sucher, Pechnase und Nebelhorn; Sunder und Hollian; Durris, Fole, Harn, Stell und die übrigen Haruchai ; der schwarze Dämondim-Abkömmling; Findail der Ernannte. Pechnase begrüßte Covenant und Linden mit einem Willkommensruf, als hätte die Aussicht, Schwelgenstein in Kürze verlassen zu können, einen Großteil seiner guten Laune wiederhergestellt; die restlichen Gefährten jedoch bewahrten Schweigen. Sie erregten den Eindruck, auf Covenant zu warten, als wäre er der verkörperte Wendepunkt ihres Lebens. Sogar die Haruchai, wie Linden in stiller Verwunderung bemerkte. Trotz der Kompromißlosigkeit, wie sie für sie als Angehörige eines Bergvolkes typisch war, befand sich jeder von ihnen auf einer persönlichen Gratwanderung und mochte zu schwanken anfangen. Als sich Covenant zu den Wartenden gesellte, fielen die Haruchai nacheinander in stummer Ehrerbietigkeit aufs Knie.
Es gab nur noch wenige Dinge zu klären. Weder Hohl noch Findail hatten Fragen zu stellen. Die weitere Begleitung der Ersten und Pechnases sowie Sunders und Hollians hatte Covenant bereits akzeptiert. Sie
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