Der Ring des Sarazenen
Freiheit.«
»Das ist nicht wahr!«, protestierte Robin.
»Aber seid ihr nicht hierhergekommen, um das Banner des Christentums über Jerusalem aufzupflanzen? Haben eure Heere nicht unsere Städte verwüstet, um das, was ihr das Heilige Land nennt, von der Herrschaft der Heiden zu befreien?« Er drehte sich mit einem Ruck zu ihr herum. Sein Gesicht war so ausdruckslos wie fast immer, aber sein Blick war durchbohrend. »Und was die Freiheit angeht, Christenmädchen, dieses hohe Gut, für das du offensichtlich zu sterben bereit bist - gibt es in eurem Land keine Sklaverei?«
»Nein!«, widersprach Robin im Brustton einer Überzeugung, die sie so gar nicht empfand.
Omar lachte. »Du musst entweder sehr dumm sein oder eine sehr gute Lügnerin… aber für dumm halte ich dich eigentlich nicht.«
»Niemand bei uns hält Sklaven!«
»Ihr nennt sie vielleicht nicht so«, erwiderte Omar. Er hob die Hand, als sie ihn unterbrechen wollte. »Ich war noch niemals in den Ländern der Christen, aber ich habe gehört, dort seien die Bauern und Viehzüchter das Eigentum ihrer Grundherren, der Adeligen. Du behauptest, sie seien frei, und doch nennen sie sich selbst Leibeigene. Sie müssen tun, was ihre Herren von ihnen verlangen, und wer sich gegen ihre Befehle auflehnt, der wird oft grausam bestraft. Sag mir, Christenmädchen, ist das alles falsch, was man mir erzählt hat?«
Robin schluckte die wütenden Worte, die ihr auf der Zunge lagen, herunter. Sie konnte nicht antworten, denn Omar hatte Recht. Vielleicht hatte er sogar in weitaus größerem - und schlimmerem - Maße Recht, als er selbst wusste. Sie starrte eine Weile an ihm vorbei ins Leere und wünschte sich, sich nicht so hilflos und auf eine fast absurde Weise schuldig zu fühlen. Als Omar nach einem tiefen Seufzen das Thema wechselte, war sie fast erleichtert.
»Du weißt, dass ich dich bestrafen muss.«
Auch diesmal nickte Robin nur stumm. Sie hatte weder vergessen, was sie mit eigenen Augen gesehen hatte, noch die Worte, mit denen er Naidas Strafe kommentiert hatte.
Omar wartete eine Weile vergeblich auf eine Entgegnung, dann fuhr er fort: »Deine Strafe wird sehr hart ausfallen. Ich wollte, ich müsste es nicht tun, aber ich habe keine Wahl.«
»Willst du mich auspeitschen lassen?«, fragte Robin spitz. »Du weißt doch, dass du deine kostbare Ware beschädigst und dadurch ihren Wert minderst.«
»Was du getan hast«, sagte Omar unbeeindruckt, »ist weit mehr als ein simpler Fluchtversuch. Damit habe ich gerechnet - schon zu einem viel früheren Zeitpunkt, wenn ich ehrlich sein soll - und ich hätte ihn dir nicht übel genommen. Auch ich an deiner Stelle hätte wohl versucht zu entkommen. Aber es war nicht nur eine Flucht. Du hast einen Aufstand angezettelt, der meinem Ruf in Hama sehr geschadet hat.«
Seltsamerweise stahl sich die Andeutung eines Lächelns auf seine Lippen, als er weitersprach. »Al Malik al Mustafa Omar, der Neffe des Sultans und Herrscher der Stadt, ist sehr beunruhigt über die Berichte, dass eine bewaffnete Frau den Aufstand angeführt und dabei gekämpft hat, als sei ihr der Sheitan persönlich in den Leib gefahren.
Deshalb hat er mich heute Morgen in den Palast befohlen. Unser Herrscher hat sich erst wieder beruhigt, nachdem ich geschworen habe, es sei nichts anderes als ein verwirrter Mann gewesen, der sich für die Flucht mit Frauenkleidern getarnt habe.«
»Und er hat Euch geglaubt?«, fragte Robin.
»Das wird er müssen, denn ich habe ihm mein Wort gegeben, dass dieser gemeingefährliche Aufrührer noch heute Morgen hingerichtet wird.« Er trat einen Schritt zur Seite und deutete mit einer Handbewegung zum Fenster. »Überzeug dich selbst.«
Robin starrte ihn einen Moment lang mit klopfendem Herzen an, dann stemmte sie sich hastig in die Höhe und humpelte zum Fenster. Der Anblick, der sich ihr bot, hatte sich abermals verändert. Das große Tor stand weit offen, und sowohl das Podest, auf dem die Sklaven zum Verkauf ausgestellt worden waren, als auch die Sitzbänke und Sonnensegel waren verschwunden. Dort, wo das hölzerne Podest gestanden hatte, ragte nun ein mehr als zwei Meter hoher Pfahl in die Höhe, an dessen Spitze ein menschlicher Kopf aufgespießt war. Der Hof war voller Menschen. Zahlreiche Männer, Frauen und zu Robins Entsetzen auch Kinder waren durch das offene Tor hereingeströmt. Sie drängelten und schubsten, um einen Platz zu ergattern, von dem aus sie die grausige Trophäe besser sehen konnten.
»Welcher
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