Der Ring des Sarazenen
aufgerichtet, wie es ihr schmerzender Oberschenkel und der humpelnde Gang nur zuließen, trat sie zwischen die drei Männer. Sie schenkte ihnen einen so eisigen Blick, dass keiner von ihnen es wagte, sie anzurühren, aber innerlich war sie einer Panik nahe. Was würde Omar ihr antun?
Trotz allem nahmen die Männer Rücksicht darauf, dass sie sich nur langsam und unter Schmerzen bewegen konnte, was aber nicht unbedingt zu Robins Beruhigung beitrug. Vielmehr vermutete sie, dass Omar seinem Leibwächter strikten Befehl erteilt hatte, ihr kein Haar zu krümmen, damit sie die ihr zugedachte Strafe auch wirklich bis zur Neige auskosten konnte. Robin versuchte, diesen Gedanken zu verdrängen, aber es gelang ihr nicht. Sie hatte bereits zu viel über die Grausamkeit der Muselmanen gehört und beinahe ebenso viel mit eigenen Augen ansehen müssen. Dass Omar ihr nicht gesagt hatte, wie ihre Strafe aussehen würde, machte es noch schlimmer, und vielleicht war auch das schon ein Teil der Strafe. Zweifellos waren seine Folterknechte in der Lage, ihr Qualen zuzufügen, die sie sich nicht einmal vorstellen konnte, und doch war vermutlich nichts so schlimm wie die Ungewissheit. Mit jedem Schritt, den sie tat, jeder Stufe, die sie sich weiter in die Tiefe quälte, steigerte sich ihre Panik. Als sie sich der zweiten Treppe ins Erdgeschoss hinab näherten, war sie nahe daran, einen verzweifelten Fluchtversuch zu wagen; auch wenn er in ihrem erbärmlichen Zustand nur in einer Katastrophe enden konnte. Aber selbst dazu fehlte ihr jetzt der Mut. Ihre Welt bestand nur noch aus Angst.
Sie wurde jedoch nicht nach unten geführt, sondern in einen kleinen Raum unmittelbar neben der Treppe. Er war nicht viel kleiner als ihr Gemach, aber die Fenster waren schmaler und vergittert. Die Wände waren mit schmutzigem, halb abgeblättertem Putz bedeckt - es gab weder Gemälde, Teppiche noch einen Spiegel. Der Boden bestand aus fest gestampftem Lehm, der mit zahllosen dunklen Flecken besudelt war, über deren Herkunft sie lieber nicht nachdenken wollte. Es gab nur einen einzigen großen Tisch sowie einen Stuhl mit einer hohen Rückenlehne und geschnitzten Armstützen. Auf den ersten Blick kamen ihr diese Möbelstücke sonderbar vertraut vor, dann aber begriff sie, dass sie Ähnliches nur aus ihrer Heimat kannte. In diesem Teil der Welt und in dieser Umgebung wirkten Möbel dieser Art aber jedoch deplatziert. Möglicherweise hatte ein Europäer diesen Raum eingerichtet, bewohnte ihn vielleicht sogar. Aber auch dieser Gedanke vermochte sie nicht zu beruhigen.
Der schwarz gekleidete Hüne dirigierte sie mit wortlosen Gesten zu dem aufwändig gearbeiteten Stuhl und forderte sie schweigend auf, darauf Platz zu nehmen. Robin wollte der Aufforderung Folge leisten, aber ihre Knie zitterten so sehr, dass sie beinahe noch kurz davor gestürzt wäre. Sie versuchte, sich selbst einzureden, dass das Zittern von den Anstrengungen der vergangenen Nacht und ihren Schmerzen im Bein herrührte - aber etwas in ihr wusste es besser.
Kaum hatte sie Platz genommen, verließen die beiden Krieger den Raum, und Omars Leibwächter baute sich breitbeinig sowie mit vor der Brust verschränkten Armen vor der Tür auf. Er sah in ihre Richtung, vermied es aber, ihrem Blick zu begegnen. In Robins Hals saß jetzt ein bitterer, harter Klumpen, den sie vergeblich herunterzuschlucken versuchte.
Eine Ewigkeit verging, die sich für Robin zu einem Vorgeschmack der Hölle ausdehnte, in Wirklichkeit vermutlich aber nur wenige Minuten dauerte. Endlich näherten sich von draußen Schritte. Omars Leibwächter wich von der Tür zurück, die einen Augenblick später geöffnet wurde. Omar Khalid und der fränkische Medicus Ribauld van Melk traten ein - und hinter ihnen, mit schleppenden Schritten zwar und langsam, Naida. Die alte Sklavin trug den rechten Arm in einer Binde, ihr Gesicht war noch immer nicht verheilt und das linke Auge zugeschwollen, doch befand sie sich augenscheinlich auf dem Wege der Besserung. Wenigstens ein Mensch, dem sie nicht den Tod gebracht hatte, weil er ihr einen Gefallen hatte erweisen wollen!
»Es wird dir vermutlich Genugtuung bereiten, Christenmädchen«, sagte Omar, »dass fünf der Sklaven, die vergangene Nacht geflohen sind, noch immer nicht gefunden werden konnten.« Er wartete auf eine Antwort. Als Robin ihm diesen Gefallen nicht tat, sondern ihn nur wortlos anstarrte, deutete er ein Achselzucken an und wandte sich mit einer entsprechenden Kopfbewegung
Weitere Kostenlose Bücher