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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hände hob und den Kopf schüttelte. Saila und die alte Frau verstummten, nur Nemeth plapperte fröhlich weiter, bis ihre Mutter sie mit einem scharfen Befehl ebenfalls zum Schweigen brachte.
    Saila griff nach der Decke, die Robin sich um die Schultern geschlungen hatte, und zupfte daran. Nach dem, was gerade geschehen war, hielt Robin die Decke fast erschrocken und mit beiden Händen fest. Darauf lächelte Saila beruhigend und deutete mit der Hand zu der Plane vor dem sicher verschlossenen Zelteingang. Als Saila erneut nach der Decke griff, ließ Robin es zu, dass die junge Frau sie entblößte. Während der grobe Stoff bis zu ihren Hüften hinabglitt, legte die Templerin schützend ihre Arme vor die Brust, aber nur für einen Moment, bis ihr klar wurde, dass sie Saila mit dieser Geste aus irgendeinem Grund zu verletzen schien. Vielleicht war Nacktheit bei diesen Menschen etwas ganz Selbstverständliches, sobald sie unter sich waren; möglicherweise sogar so etwas wie ein Vertrauensbeweis. Saila und die beiden anderen jedenfalls musterten sie eingehend und ohne jede Scheu.
    Auch Robin verlor schon nach einem Augenblick jedes Gefühl der Peinlichkeit. Es waren mehr als zwei Jahre vergangen, seit sie sich das letzte Mal nackt vor anderen Frauen gezeigt hatte. Ihr Körper war noch immer schlank und mädchenhaft, ihre Brüste kaum gereift. Salim hatte oft gespottet, dass eine Frau, die unbedingt das Kriegshandwerk der Männer erlernen wollte, keinen weiblichen Körper entwickeln konnte.
    Saila und ihre Mutter schienen sich darüber keine Gedanken zu machen. Vielleicht hielten sie sie ja auch für jünger, als sie tatsächlich war. Stattdessen musterten sie mit erschrockenen Gesichtern ihre zahlreichen Verletzungen. Während die alte Frau einen Stoffzipfel ins Wasser tunkte und die Kratzer, Schrammen, Prellungen und andere mehr oder weniger tiefen Wunden auf Robins Körper zu säubern begann, trug Saila selbst eine Salbe auf ihre schlimmsten Blessuren auf, die nicht gerade gut roch, aber angenehm kühl auf der Haut war.
    Die Verrichtungen der beiden Frauen waren unangenehm oder taten sogar weh, doch wenn Robin im Verlaufe des zurückliegenden Jahres eines gelernt hatte, dann dies: Schmerzen zu ertragen.
    Als die beiden Frauen schließlich fertig waren, fühlte sie sich so gut wie schon lange nicht mehr. Sie war noch immer erschöpft und spürte eine permanente Benommenheit, ein Gefühl, wie man es manchmal hatte, wenn man unvermittelt aus tiefstem Schlaf gerissen wurde, nur dass diese Müdigkeit einfach nicht mehr weichen wollte. Es zwickte und schmerzte überall, aber es war das erste Mal seit langer Zeit, dass ihr weibliche Wesen eine fast mütterliche Fürsorge angedeihen ließen - Frauen, die es allem Anschein nach gut mit ihr meinten -, und dieses Gefühl glich alle körperliche Unbill aus.
    Als Saila ihr bedeutete, dass sie fertig war, wollte Robin die Decke wieder hochziehen, aber die Araberin schüttelte den Kopf und wies auf das Kleidungsstück, das Nemeth mitgebracht hatte. Offensichtlich wollte sie, dass Robin es anzog, und Robin hatte nichts dagegen. Nur in eine Decke gewickelt herumzulaufen erschien ihr würdelos und außerdem war der Stoff grob und scheuerte auf ihrer geschundenen Haut. Sie nickte, und das Mädchen legte das Kleid mit einer fast feierlichen Bewegung neben ihr auf den Boden. Statt sich wieder zurückzuziehen, blieb sie neben Robin stehen und deutete auf die dünne Narbe an ihrem Hals. Sie begleitete die Geste mit einer Frage.
    Robin hob unwillkürlich die Hand an die Kehle. Nemeths Frage - und vor allem der gleichermaßen erschrockene wie ungläubige Ton, in dem sie sie stellte - war ihr unangenehm. Im Laufe der Monate war die Narbe gut verheilt und mittlerweile auf den ersten Blick kaum noch zu sehen, aber sie war da, und manchmal, vor allem bei einem Wetterumschwung oder bevor es schneite, meldete sie sich mit einem heftigen Jucken und erinnerte Robin daran, wie nahe sie dem Tod schon einmal gewesen war. Es war nicht dieses Jucken, das Robin Unbehagen bereitete, wohl aber die Erinnerung, die damit einherging. Die Tage, die sie auf Leben und Tod dagelegen hatte, zählten zu den schlimmsten ihres Lebens.
    Saila hatte ihre Geste bemerkt und scheuchte ihre Tochter mit scharfen Worten davon, aber Robin hielt sie mit einer raschen Handbewegung zurück. »Lass sie«, sagte sie. »Sie ist nur neugierig. Wahrscheinlich sieht man so etwas nicht alle Tage.« Sie wandte sich direkt an Nemeth.

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