Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
wie das Tragen einer Schusswaffe. Beides konnte von entscheidender Bedeutung für das Überleben sein. Wagner schob diesen Gedanken zur Seite und richtete stattdessen seine volle Aufmerksamkeit auf den völlig entblößten Körper des Mordopfers. Matthias von Triburg war etwa einen Meter siebzig groß und für sein geschätztes Körpergewicht definitiv zu klein. In seinen auf dem gewaltigen Bauch gefalteten Händen hing schlaff eine tote Kröte. Hauptkommissar Wagner schauderte. Sein Blick wanderte nun zum Gesicht des Toten empor. Aus dem weit aufgerissenen Mund quoll zerknülltes Papier hervor. Wagner beugte sich über die Leiche. „Banknoten“, das war Sebbis Stimme. „Sie stammen vermutlich aus dem Tresor dort drüben.“ Wagner fuhr herum. Der Wandtresor war ihm bisher völlig entgangen. Der gepanzerte Schrank stand weit offen und sein Inhalt lag teilweise auf dem Boden verstreut. „Siehst du die Scherben auf dem Bett?“ Wagner wandte sich wieder dem Opfer zu. „Wieder mal ein Gartenzwerg! Wollen wir wetten?“ Sebbi schüttelte den Kopf. „Lohnt wohl nicht, oder? Dieser hier war anscheinend goldfarben lackiert.“ Hauptkommissar Wagner schnaubte verächtlich.
„Na klar. Diese Farbe ist doch garantiert eine Anspielung auf die berufliche Tätigkeit des Toten. Matthias von Triburg war doch Direktor dieses alten Bankhauses. Ist jetzt auch von irgendeiner großen Bank einverleibt worden, oder?“ Menzel nickte beipflichtend.
„Ich hab´ da mal vor einiger Zeit einen Artikel im Lokalteil über den Typen gelesen. Hat sich aus eigener Kraft vom Banklehrling bis zur Direktion hochgearbeitet. Stammte aus einer Bergmannsfamilie mit Tradition. Offenbar war er das schwarze Schaf der Familie, weil er nicht unter Tage arbeiten wollte. Hat sich später dann auch noch seinen Adelstitel gekauft. Die von Triburgs haben sich das bestimmt nicht zu knapp vergolden lassen.“ „Und das hast du alles in diesem Artikel gelesen und bis heute nicht vergessen?“ Sebbi grinste. „Vom Tellerwäscher zum Millionär. Diese Geschichten bleiben einem doch im Gedächtnis haften, oder nicht?“ Wagners Stirn kräuselte sich. Er dachte über den Toten und dessen möglichen Zusammenhang mit dem Ring des Nibelungen nach. Elle hatte von zwei weiteren Charakteren gesprochen, die sicherlich noch eine Rolle in der Mordserie spielen würden. Alberich und Wotan. Theobald Wagner dachte angestrengt nach. Seine grauen Zellen formten eine wirre Mischung aus den selbst recherchierten Fakten und Elsbeths spannenden Geschichten:
Alberich, der Herrscher über das Nibelungenvolk, würde auf Triburg besser zutreffen als Wotan, der oberste aller Götter, schlussfolgerte er. Diese Parallele zur Herkunft des Opfers schien sich ja förmlich aufzudrängen. Eine traditionsreiche Bergmannsfamilie. Arbeit unter Tage. Auch Niebelheim lag unter der Erde, verborgen im Dunkel. Die Herkunft des Herrn von Triburg kam dem Mörder bezüglich seiner akribischen Dramaturgie um Opfer und Tatortgestaltung sicher sehr entgegen. Alberich zeichnete sich innerhalb des Opernzyklus vor allem durch seine Gier nach Macht und Gold aus. An diesen Teil seiner Recherchen konnte Wagner sich vage erinnern. Das Opfer war für seine Skrupellosigkeit stadtbekannt gewesen.
Beide - Alberich und von Triburg - gingen über Leichen um ihre Ziele zu erreichen.
Das war der Grund, warum der Geschäftsmann in den Augen des Mörders den Tod verdient hatte. Was aber hatte die tote Kröte in den Händen des Toten für eine Bedeutung?
Elle würde es wissen, Wagner musste deshalb so schnell wie möglich mit ihr sprechen, außerdem wollte er hinsichtlich seiner Alberich-Theorie Bestätigung bekommen. Immer noch grübelnd, das Handy bereits im Anschlag, stieß er seinen jungen Kollegen Menzel kurz an. „Ich muss dringend telefonieren, Sebbi. Warte hier auf mich. Vielleicht brauche ich deine Hilfe und Rosalies auch.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Wagner das Schlafzimmer und die Villa Triburg, um sich in seinen rostigen Golf zu setzen. Dort konnte er sich völlig auf das Gespräch mit Elle konzentrieren.
Einen Moment lang saß Theobald Wagner regungslos da und konzentrierte sich auf den Gedanken, der in seinem Kopf Gestalt angenommen hatte. Sein Plan stand fest, auch ohne Durchsuchungsbefehl das Haus von Albert Müller zu untersuchen. Ihm war klar, dass er mit dieser eigenmächtigen Aktion Kopf und Kragen riskieren würde. Dennoch stand sein Entschluss unwiderruflich fest. Es gab keine
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