Der Ring von Ikribu
ihre Taille, wo seine Hand auf ihrer Hüfte zu ruhen kam. Zärtlich strich sie über sein langes Haar. Er schwieg und hing weiter seinen Gedanken nach.
»Wonach hältst du Ausschau?« fragte Tias schließlich.
»Sonja ritt schon vor einer ganzen Weile aus der Stadt.«
Das schmerzte Tias. »Spionierst du ihr nach?«
»Olin folgte ihr. Sie sind schon lange weg.«
»Bist du eifersüchtig?«
Allas wandte sich ihr scharf zu. Sein Blick verriet Ärger und Enttäuschung.
»Bestreit es nicht, Allas!«
»Was bestreiten?«
»Dass du dich von der hyrkanischen Kriegerin angezogen fühlst.«
Seine Lippen lachten, seine Augen glänzten: eine vorgetäuschte Erheiterung; die ihn verriet. Doch dann schluckte er und wandte sich vom Fenster ab. Hartnäckig folgte ihm Tias.
»Stimmt es denn nicht?«
»Früher, vielleicht. Vor Tagen, als ich sie kennen lernte.«
»Sie macht sich aber nichts aus dir.«
Allas seufzte. »Du kannst doch nicht auf die Kriegerin eifersüchtig sein, Tias! Bitte, sag mir, was dich wirklich bedrückt, ja?«
Sie zitterte, schluchzte auf und warf sich in seine Arme. Plötzlich blickte sie ihn angespannt an, und sie wirkte über ihre Jahre hinaus reif und überlegen.
»Ich liebe dich!« erklärte sie stumpf. »Seit langer Zeit schon. Verdammt, Allas›Suthad ist zerstört! Olin und Sonja und der Rest ziehen in einen Wahnsinnskrieg gegen einen Zauberer, den sie nie gesehen haben. Und du bist in den vergangenen Tagen deinem Tod ein Dutzend Mal und mehr viel zu nahe gekommen. Sagt dir das denn gar nichts?«
»Lord Olin ist …«
»Lord Olin ist ein Narr! Seine Stadt ist ein Trümmerhaufen. Unsere Familien und Freunde sind …« Sie würgte an ihren Worten, aber sie gab nicht auf. »Und wozu das alles? Die Söldner hatten recht. Allas! Verstehst du das denn nicht? Verstehst du es nicht?«
»Ich bin Soldat!« entgegnete er mit einem drohenden Knurren in der Stimme.
»Soldaten fallen, Allas! Es besteht kein Grund mehr für dich, Soldat zu bleiben! Die Armee ist vernichtet! Die Stadt zerstört! Alle, die diesen Wahnsinn überlebt haben – flohen! Sie haben Suthad verlassen, Allas, um ein neues Leben zu beginnen.«
»Ich kann nicht vergessen, was geschehen ist!«
»Dann wirst du sterben, weil du nicht vergessen kannst!« Nun fing sie richtig zu schluchzen an. »Bist du denn lieber ein stolzer Soldat, der in der Festung eines Zauberers stirbt, als mein liebender Gatte zu werden und eine Familie mit mir zu gründen? Oh, du Narr! Du würdest wohl auch wollen, dass deine Söhne Soldaten werden, und du würdest auch sie in den Krieg schicken, nicht wahr? Nicht wahr?«
»Sei still, Tias!«
»Ich will nicht still sein! Das hier war eine blühende Stadt, Allas! Zweihunderttausend Menschen lebten in diesem Stadtstaat. Und wo sind sie jetzt? Die Stadt ist ein Trümmerhaufen! Und warum das alles?«
»Warum?« brüllte Allas sie plötzlich an. Er schien zu wachsen, als er seinem Grimm schließlich Luft machte. »Warum, Tias? Asroths wegen! Verflucht, nenn seinen Namen. Sag ihn wieder und immer wieder. Asroth! Asroth! Asroth! Vor einem Monat noch hattest du eine Familie und ich hatte eine Familie. Es gab keine Rote Sonja, keine Söldner, keine monströsen Zauberwesen. Asroth hat das geändert!«
»Allas …«
»Asroth! Und jetzt willst du – nachdem der Hexer gekommen und gegangen ist, dass wir die Trümmerstücke und den Schmutz, den er hinterlassen hat, aufklauben und versuchen unser Leben zusammenzuflicken! Tias! Wir können nicht einfach hinnehmen, was passiert ist!«
»Ich schon!«
»Du bist selbstsüchtig! Du bildest dir ein, du brauchst bloß die Augen zu schließen, und alles wäre wieder wie es war, ehe Suthad zerstört wurde. Aber Suthad ist zerstört, und ich kann das nicht vergessen! Ich habe gegen Zauberei gekämpft – ich habe bewiesen, dass ich nun ein Mann bin! Dass ich Gemetzel, Blutvergießen und Wahnsinn überwinden kann, wenn ich dagegen antreten muss. Lord Olin hat volles Vertrauen zu mir. Wir haben jetzt eine Chance, Suthad zu rächen und Asroth zu vernichten. Nur Tiere verkriechen sich vor dem Sturm, Tias, und wenn er vorüber ist, finden sie sich mit dem angerichteten Schaden ab, beheben ihn, wenn sie können, und vergessen, dass der Sturm überhaupt getobt hat.«
»Und, findest du das so verkehrt?«
»Ja!« antwortete er heftig mit blitzenden Augen. »Wir sind Menschen! Wenn ein Sturm droht und wir laufen davon und verkriechen uns und vergessen ihn danach, sind wir nicht besser
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