Der Ring
unter dem Efeu, fing ich an zu würgen, und selbst hier, in der virtuellen Realität der Interface-Box, schmeckte ich die bittere Galle.
Er hatte mich betrogen.
Mein Körper gehorchte mir nicht. Die Interface-Box lag wie zuvor neben mir auf dem Sofa, die Pseudorealität war verschwunden. Malcolm stand irgendwo hinter mir – ich hörte, wie er eine Tasche packte –, aber ich konnte mich nicht umdrehen. Meine Muskeln verweigerten den Dienst.
»Wir nehmen den Lift in Belem. Auf dem Ring sind wir in Sicherheit, da kommen sie nicht an uns ran. Dann stelle ich die Forderungen.«
Ein Wasserfleck an der Wand zog mich in den Bann, ich konnte meinen Blick nicht davon losreißen.
»Wir holen uns Leute aus den Singleton-Enklaven. Wenn das OG meine Rechte nicht anerkennen will – meinetwegen. Meine Macht wird es anerkennen müssen .«
Tränen stiegen mir in die Augen, aber keine Tränen der Erschöpfung, sondern der Wut. Er hatte mich benutzt, und ich war auf ihn hereingefallen. Er hatte mich verführt, ein albernes, ahnungsloses Mädchen, und jetzt hatte er, was er von Anfang an gewollt hatte: eine Geisel. Eine Wertsache. Verhandlungsmasse.
»Vielleicht dauert es eine Generation, vielleicht auch nicht. Auf dem Ring gibt es eine Menge Klontanks, und du bringst hervorragendes Genmaterial mit. Und wenn man dich von Geburt an kontrolliert, bist du auch nicht mehr so störrisch.«
Weil er mich in der Hand hatte, mich, das Mitglied eines zukünftigen Sternenpods, dachte er, das Overgovernment könne nicht an ihn heran. Er hatte keine Ahnung, dass unser Pod ohnehin zerfallen war. Dass sein Plan überhaupt keinen Sinn ergab.
»Okay, Meda. Los geht’s.«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er ein Kabel in sein Interface einstöpselte. Sofort setzten sich meine Beine in Bewegung, ich stand auf. Hass brandete in mir auf, Pheromone schossen aus meinem Hals.
»Verdammt, was ist das für ein Gestank?«
Pheromone! Sein Interface kontrollierte zwar meinen Körper, meine Kehle, meine Zunge, meine Vagina, aber nicht meine Genmods. Über meine Modifikationen hatte er keine Macht, das hatte er übersehen. Also nahm ich meine ganze Kraft zusammen und schrie, schrie, schrie. Duft explodierte aus meinen Drüsen, eine widerliche Mischung aus Wut, Angst und Ekel.
Malcolm riss die Tür auf und versuchte, den Gestank mit den Händen zu vertreiben. Rechts an seiner Hüfte beulte sich die Hose aus – seine Pistole. »Okay, wir halten irgendwo an und kaufen dir ein Parfüm.« Mit zwei Taschen beladen, seiner und meiner, verschwand er aus dem Haus. Ich blieb wie erstarrt stehen, die Interface-Box in den ausgestreckten Armen.
Aber ich ließ nicht locker. Ich brüllte und brüllte, ich sättigte die Luft mit Emotionen, bis meine Drüsen ausgelaugt waren und mich mein vegetatives Nervensystem ruhigstellte. Bis ich nur noch dastehen und auf Geräusche von draußen lauschen konnte. Doch es war kein Laut zu hören.
Kurz darauf kehrte Malcolm zurück. »Gehen wir.« Sofort zogen mich meine Beine durch die Tür.
Schon auf der Schwelle schmeckte ich unsere Gedanken. Mein Pod war ganz in der Nähe. Nicht nah genug, um seine Gefühle zu verstehen, aber auch nicht weit entfernt.
Mit letzter Kraft sandte ich ein einziges Pheromon aus. Hilfe.
»Rein da.« Malcolm zeigte auf das Aircar.
Ein Ruck an meinem Hals. Ein spastisches Zucken lief durch meinen Körper, ich knickte zusammen. Doch im letzten Moment sah ich, wie Manuel auf dem Dach kauerte, in der Hand die Interface-Box.
Als Malcolm mit gezogener Waffe herumwirbelte, feuerte Manuel die Box auf ihn ab.
Irgendetwas anderes flog an mir vorbei, Malcolm kreischte auf, die Pistole rutschte ihm aus den Fingern. Schnell rappelte ich mich auf und rannte auf wackligen Beinen in den Wald, bis mich eine Hand an der Schulter packte. Im nächsten Augenblick ließ ich mich in das Netz unserer Gedanken fallen.
Ich vergrub mein Gesicht an Stroms Brust und drückte meine Pads an seine. Mit anderen Augen – mit Moiras Augen! – sah ich, wie Malcolm in das Aircar hechtete und die Turbinen anwarf.
Der kommt nicht weit.
Wir haben an seinem Wasserstoffdruckminderer herumgespielt.
Und den Peilsender wieder angestellt.
Danke, dass ihr gekommen seid. Es tut mir so leid.
Ich fühlte mich so schmutzig und leer, dass ich die Gedanken kaum herausbrachte. Alles, was mir zugestoßen war, alles, was ich getan hatte, zeigte ich ihnen, auch all meine lächerlichen Fantasien. Ich war auf alles gefasst, auf Wut, auf
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