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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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tänzerischen Bewegungen der Space Dogs verfolgte, registrierte ich kaum, wie sich der Neue – mittlerweile beide von ihm – ein weiteres Mal erbrach, diesmal direkt in die Absauganlage für Festkörperabfälle an der Wand.
    »Innen…«, fing der eine an.
    »…ohr…«, fuhr der andere fort, halb übertönt vom Gluckern des Ventils.
    »…entzündung.«
    »Wer’s glaubt.« Das männliche Trio schüttelte den Kopf. »Ein Quint und ein raumkrankes Duo. Für solche Späße haben wir hier oben keine Zeit. Wir haben zu tun, und zwar nicht zu knapp. Was soll ich bloß mit euch anfangen?«
    »Wir wollen arbeiten!«, rief Meda. »Und wir können arbeiten.«
    Das männliche Trio nickte seiner Kollegin zu. »Übereifrige Landratten.« Dann streckte er Meda die Hand hin. »Na schön. Willkommen auf Columbus Station. Ich bin Aldo, euer Ausbilder. Und das ist Flora, meine Nummer zwei.« Die beiden Trios trugen dunkelgraue Overalls mit silbernen, filigran geformten Abzeichen am Kragen. »Flora, bring Apollo auf sein Zimmer.« Als er sich McCorkle zuwandte, schnitt Aldo eine Grimasse. »Ich kümmere mich um den hier und weise ihn ein. Viel kann er ja nicht mehr im Magen haben.«
    »Kann ich nicht mit Apollo mitkommen?«, brachte McCorkle heraus, bevor er sich wieder die Hand vor den Mund halten musste.
    Aldo schüttelte den Kopf. »Du bist im Innendienst, Apollo ist draußen.«
    »Okay«, sagte Flora an uns gewandt, »ihr kommt mit. Ich zeige euch, wo ihr wohnt.«
    Ich zwinkerte Manuel zu. Und ich dachte schon, McCorkle hätte sich vollständig entleert. Auf Manuels Lippen blitzte ein Lächeln auf.
    »Unglaublich, dass er immer noch nicht fertig ist. Nach den Mengen, die er im Schlepper von sich gegeben hat«, sagte Meda.
    Flora nickte. »Wart’s ab. Ich kannte einen, der hat sieben Tage lang ununterbrochen gekotzt. Und am Schluss hat er die Murmeln ausgespuckt, die er als Kind verschluckt hatte.«
    »Das klingt ziemlich unwahrscheinlich«, antwortete Meda, ehe wir sie auf Floras absichtliche Übertreibung hinweisen konnten.
    Sie hat einen Witz gemacht, sandte Strom.
    Oh. Meda machte große Augen. Natürlich.
    Flora bedachte uns mit einem Blick, der überdeutlich machte, wofür sie uns hielt. Bezeichnungen wie »Landratte« oder »Schwerkraftjunkie« waren noch nett dagegen. Sie bestand aus drei jungen, brünetten, breitschultrigen Frauen – Arme aus Stahl, Beine wie Spaghetti, die typische Physis eines Space Dog. Strom bewunderte ihre Rückenmuskulatur, als sie sich den Korridor hinab in die Tiefe hangelte. Hinter den zahllosen Röhren und Kabeln verbargen sich Griffe, die sie instinktiv fand, während wir immer weiter zurückfielen. Schließlich wollten wir nicht, dass die Station aus dem Orbit stürzte, weil wir ein paar überlebenswichtige Verkabelungen herausgerissen hatten.
    Das ist völlig ausgeschlossen, meinte ich. Wir befinden uns in einer geosynchronen Umlaufbahn. Wir können unmöglich auf die Erde stürzen, weil …
    Manuel drehte sich um. Das wissen wir.
    Ich grinste. Ich weiß, dass wir das wissen, aber … Mir fiel nur ein Schulterzucken ein. Das zerbrechliche Gleichgewicht der Kräfte an diesem Punkt zwischen All und Erde faszinierte mich nun mal mehr als alles andere. Ich versuchte, ein Bild davon zu erstellen und an den Pod weiterzugeben, doch Manuel winkte ab. Weiter vorne war Flora schon um die Ecke verschwunden.
    Wo sind wir?
    Unsere Gedanken zerfaserten, verhallten wie Echos im Leeren. Normalerweise dachten wir im Kreis, Hand in Hand, bildeten einen doppelten Ring aus Körpern und chemischer Kommunikation. Jetzt, aufgereiht in diesem Korridor, sickerten die Beiträge der anderen nur langsam durch. Unser Konsens war schwach, halbgare Ideen prallten auf Entscheidungen aus der Gegenrichtung. Irgendwann mischte ich nur noch pro forma im Gruppendenken mit, eigentlich war ich längst abgedriftet. Mein Hirn funktionierte nicht wie die meiner Partner. Winzige Details bezauberten mich, Einzelheiten, die mich voll in Anspruch nahmen, wenn wir einen Augenblick nicht aufpassten. Manchmal fürchtete ich mich vor dem Alleinsein – aus Angst, nie mehr den Weg zurück zu finden.
    Im Moment versuchte mein Geist, das Labyrinth aus Röhren und Räumen, die wir bisher durchquert oder flüchtig gesehen hatten, zu analysieren und die Einzelteile in die dreidimensionale Karte der Station einzubetten, die ich im Schlepper studiert hatte. Columbus Station glich einer kopfstehenden Rübe, die 42 000 Kilometer über der

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