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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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Pod nicht zwingen, zusammenzubleiben.«
    »Ich will uns doch gar nicht auseinanderreißen!« Warum verstand sie denn nicht? Ich war ein Individuum, ein eigener Mensch, kein Teil von irgendeinem Ding .
    »Nein, du willst nur ein bisschen allein sein. Sicher. Ich habe volles Verständnis.« Ihr Sarkasmus tat weh. »Weißt du, ich war selbst mal vier.«
    Als ich antworten wollte, war sie schon wieder verschwunden. Vier? Das wussten wir längst. Eine von Mother Redd war gestorben … Aber was hatte sie mir eben sagen wollen? Dass die Vierte nicht umgekommen war, sondern den Pod freiwillig verlassen hatte? Das hatte doch nichts mit mir zu tun!
    So schnell ich konnte, rannte ich die Treppe hinunter und verschwand aus dem Haus. Ich wollte dem Rest von mir nicht gegenübertreten, ich wollte nicht, dass sie meine Schuldgefühle schmeckten. Ohne innezuhalten, rannte ich zu Malcolms Haus.
    Er war gerade bei der Gartenarbeit, aber als er mich sah, stand er sofort auf und schloss mich in die Arme. »Ruhig, Meda. Was ist passiert?«
    »Nichts«, flüsterte ich.
    »Warum bist du überhaupt zurück zur Farm? Wir hätten deine Sachen doch genauso gut abholen lassen können.«
    Ich blickte ihn an. »Ich will ein Interface.«
     
    Es ging ganz schnell. Er legte mir ein Nanodermic auf den Nacken, direkt unterhalb des Haaransatzes. Meine Haut kühlte rasch ab, und die Kälte breitete sich aus, wanderte meinen Schädel hinauf und mein Rückgrat hinunter. Kurz darauf spürte ich einen Stich, und ein Kribbeln lief über meinen Rücken.
    »Du wirst jetzt ein Stündchen schlafen«, sagte Malcolm. »Es ist am besten so.«
    Ich träumte von Spinnen, die über meinen Sehnerv in die Schädelhöhle krabbelten, von Ohrwürmern, die an meinen Ohrläppchen schnüffelten, von Blutegeln, die meine Finger entlangglitschten. Doch als sie meine Arme hinauf und in mein Hirn krochen, öffnete sich plötzlich eine Tür. Es war so, als ginge die Sonne auf. Von einer Sekunde zur nächsten war ich nicht mehr in diesem Raum, nicht mehr in dieser Zeit. All das hatte eine traumhafte Logik und war mir völlig plausibel. Ich begriff, warum ich hier war, und auch, wo sich die Community befand und warum sie dorthin aufgebrochen war.
    »Hallo, Meda«, sagte Malcolm.
    »Ich träume.«
    »Nein, jetzt nicht mehr.« Seine Stimme schien von einem hellen Punkt unmittelbar vor meinen Augen zu kommen. »Ich hab dich an die Interface-Box angeschlossen. Ist alles glattgegangen.«
    »Dabei hatte ich befürchtet, meine Genmods könnten Probleme machen.« Ich fühlte mich noch immer wie im Traum; vor allem hatte ich überhaupt nicht beabsichtigt, diesen Satz auszusprechen. »Das wollte ich gar nicht sagen. Ich glaube, ich träume immer noch.« Ich versuchte, den Mund zu halten. »Mist, ich kann nicht aufhören zu reden.«
    Als Malcolm lächelte, sah ich ihn nicht lächeln, ich spürte ihn lächeln. »Aber du redest doch gar nicht. Komm, ich zeig dir, was in der Community alles möglich ist.«
    Stundenlang lehrte er mich, wie man die Realität der Interface-Box manipulierte. Wie man die eigene Hand zur Schaufel machte – zum Hammer, zum Schmirgelpapier, zum Poliertuch – und damit die Wirklichkeit bearbeitete. Die Interface-Box war mehr als eine Maschine, sie war ein Quantencomputer. Mächtiger als alles, was wir Pods auf organischer oder Siliziumbasis konstruieren konnten.
    »Gut machst du das«, sagte der helle Punkt in dem grünlich-grauen Garten, den wir in einer uralten verlassenen Stadt geschaffen hatten. Zwischen Efeuranken an brüchigen Mauern huschten geschmeidige Echsen entlang, ein moderiger Duft stieg von der Erde auf und vermischte sich mit dem Geruch der Hartriegelsträucher am Rand des Hofs.
    Ich lächelte. Mittlerweile wusste ich, dass er meine Gefühle sehen konnte – dass er mein ganzes Inneres sehen konnte, als wäre er ein Teil meines Pods. Ich lag nackt vor ihm, während er sich noch bedeckt hielt.
    »Bald«, vertröstete er mich, als ich nach seinem Licht tastete, und schloss mich in die Arme. Wieder liebten wir uns, dort im Garten, auf dem Gras, das meinen Rücken mit tausend Zungen kitzelte.
     
    Hinterher, im goldenen Nachhall unserer Liebe, tauchte Malcolms Gesicht aus der Lichtkugel vor mir auf. Seine Augen waren geschlossen. Während ich seine Gesichtszüge studierte, wuchsen sie auf einmal in die Höhe und in die Breite, bis ich plötzlich in sein linkes Nasenloch fiel und in seinen Schädel eindrang. Und seine wahre Natur erkannte.
    Dort im Garten,

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