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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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sie das Funkgerät bediente. »Nein! Wir retten Flora!«
    »Schluss damit! Sonst verlieren wir noch einen zweiten Sled!«
    Meda schaltete den Funk ab.
    Flora versucht, ihren Sled zu stabilisieren, meldete Moira.
    Als ich einen Moment von der Steuerung aufblickte, sah ich, dass Flora den unkontrollierten Schub der defekten Düse mit den anderen Düsen ausgleichen wollte. Aber sie verschätzte sich, ihr Timing lag um eine komplette Sekunde daneben, und der Sled beschleunigte nur noch stärker.
    Sofort berechnete ich ihre neue Flugbahn. Wir konnten es nach wie vor schaffen, aber unser Reaktionsgas würde vielleicht nicht mehr für die Rückkehr zur Columbus Station reichen. Ich gab den anderen die Kurzfassung.
    Eine Pause. Nachdenken.
    Weiter, sagte Meda.
    Weiter. Ein schneller Konsens, Floras Lage ließ uns keine Zeit für lange Überlegungen. Von Columbus Station war sie längst zu weit entfernt. Wir waren ihre letzte Hoffnung.
    Die Sekunden verstrichen.
    Floras Reaktionsgas ist aufgebraucht, meldete Meda.
    Abgesehen von der Auswirkung ihres Orbits würde ihre Geschwindigkeit damit konstant bleiben. Da der Sled in Rotationsrichtung zenital nach oben geschossen war, hatte sich die Zentripetalkraft verstärkt – Flora wurde ins All hinausgezogen. Auf einer instabilen Umlaufbahn würde sie bis hinter den Mond und wieder zurück fliegen, ein bizarrer Tanz, den sie noch lange nach ihrem Hunger- oder Erstickungstod fortsetzen würde. Wir mussten sie retten. Und zwar jetzt.
    Vorsichtig gab ich Schub. In zwanzig Sekunden würden wir sie erreichen.
    Zehn. Über uns rotierte Floras Sled, schnell und konfus, aber stumm.
    Festhalten. Gleich wird es ungemütlich.
    Ich richtete unsere Nase auf den Rand des Kreisels aus, glich unsere Geschwindigkeit an die Rotationsgeschwindigkeit seines äußeren Rands an und ließ unseren Sled ein paar Meter nach vorne springen.
    Als unsere Klaue Floras Sled berührte, griff Manuel ein und hakte sie fest.
    Ich knallte mit dem Kopf gegen das Bedienfeld, vor meinen Augen wurde es schwarz, Verwirrung und Panik erfüllten die Luft. Aber nur für eine Sekunde. Dann löste sich die Desorientierung in chaotische Gleichungen auf, in widerstreitende Kräfte, die langsam, vor dem Hintergrund von Würgegeräuschen und dem Geruch von Erbrochenem, Sinn ergaben. Ich streckte die Hand nach dem Steuerknüppel aus und tippte ihn an, einmal hier, einmal da. Irgendwie musste ich die wilden Drehbewegungen ja ausgleichen.
    »Pass auf die Klaue auf, nicht locker lassen!«, schrie ich, aber Manuel hatte schon losgelassen. Eine Hand an der Wand, eine am Sicherheitsgurt, versuchte er vergeblich, nicht aus dem Sitz zu kippen.
    Je mehr sich die Klaue lockerte, desto schwieriger war es, die Kreiselbewegung der Sleds zu korrigieren. Ich verbrauchte zu viel Reaktionsgas.
    Manuel, die Klaue anziehen!
    »Ich kann nicht.«
    Und ich konnte mich nicht gleichzeitig um den Sled und um die Klaue kümmern. Letzteres war Manuels Job.
    Rasch erstellte ich ein mentales Bild für Manuel und den Rest des Pods: eine dreidimensionale Darstellung unserer Position, der beteiligten Kräfte und der akuten Gefahr, unwiderruflich ins All hinausgezogen zu werden, wo wir alle jämmerlich ersticken würden. Die Klaue muss sitzen!
    Heftig schluckend nickte Manuel, nahm die Hand von der Wand und tastete nach dem Handschuh. Erfolglos. Ein zweiter Anlauf. Diesmal gelang es ihm, und sofort schloss sich die Klaue um Floras Sled. Unsere Bewegung stabilisierte sich.
    Kaum hatte ich den Steuerknüppel angetippt, beruhigte sich das ruckhafte Trudeln. Mit ein paar letzten Schüben glich ich die Rotation aus, bis die beiden Sleds waagerecht im Raum schwebten. Nur die Zentripetalkraft wirkte noch auf uns, zog uns immer weiter hinaus ins All. Unser Startpunkt lag bereits mehrere Hundert Kilometer unter uns.
    Hinter mir schnappte sich Moira den Null-G-Tragsauger, um das Erbrochene zu entsorgen. Ich versuchte, weder auf den Geruch noch auf meinen eigenen flauen Magen zu achten, und konzentrierte mich ganz auf die Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektoren – doch nach einem Blick auf die Treibstoffanzeige wusste ich, dass unser Vorhaben zum Scheitern verurteilt war: Durch die zusätzlichen Manöver hatten wir zu viel Reaktionsgas verbraucht, noch dazu drifteten wir immer weiter ab. Mit jeder Sekunde vergrößerte sich die Distanz zur Station. Wir mussten eine Entscheidung treffen, eine schnelle Entscheidung, sonst waren wir so gut wie tot. Aber egal welche

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