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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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Entscheidung, keine konnte uns mehr retten.
    Ich brachte das mentale Bild auf den neuesten Stand. Wir müssen zurück zur Station. Aber wie?
    Ein unlösbares Problem. Gegen die Zentripetalkraft hatten wir keine Chance.
    Ich verlegte mich auf andere Szenarien. Konnten wir L 4 oder L 5 erreichen? In weniger als vier Tagen? Ich berechnete die möglichen Flugbahnen. Nein. Dreißig Tage Minimum. Essen, Luft, Wasser würden uns ausgehen.
    Den Mond schloss ich von vornherein aus.
    Meda meldete sich. Der Ring?
    Der Ring befand sich 30 000 Kilometer unter uns. Wenn Columbus Station außer Reichweite war, kam der Ring erst recht nicht infrage.
    Nein. Die Stacheln!
    In einem intuitiven Sprung assimilierte mein Geist den Gedanken. Der Ring befand sich auf einer geostationären Umlaufbahn in 10 000 Kilometern Höhe. Weil er damit weit unter dem geosynchronen Orbit lag, beschleunigte er im Grunde kontinuierlich auf die Erde zu; die Zentripetalkraft konnte die Erdanziehungskraft nicht ausgleichen, die Beschleunigung betrug exakt 0,14 g. Drei Faktoren wirkten zusammen, damit er trotzdem an Ort und Stelle blieb: seine eigene starre Struktur, seine Verankerungen auf der Erdoberfläche – und die Stacheln, die sich als Gegengewichte über den geosynchronen Orbit hinaus ins All erstreckten.
    Doch als ich die Stacheln in das mentale Bild einbaute, wurde meine Hoffnung im Keim erstickt. Keiner war nah genug. Und das war kein Zufall. Man hatte Columbus Station extra über Quito platziert, weil sich ihr Fühler dort nicht in den Stacheln des Rings verfangen würde.
    Ihr Fühler. Das war es. Columbus Station hatte selbst eine Art Stachel, der als Gegengewicht zum erdseitigen Kabel diente. Er war erst halbfertig, aber schon circa 10 000 Kilometer lang, und er war nah. Sehr nah. In Reichweite.
    Der Pod überprüfte meine Berechnungen. Allgemeine Zustimmung.
    Los, sandte Meda.
    Ich gab vorsichtig Gas, um das ungelenke Doppelgespann langsam anzuschieben. Zu sehen war nichts, aber ich wusste, wo das Ende des Fühlers sein musste. Ich beschleunigte konstant, im rechten Winkel zur Zentripetalkraft, die uns fortwährend nach außen drückte; ich konnte es mir nicht leisten, dagegen anzukämpfen. Das Ergebnis war ein Winkel von dreißig Grad zur vertikalen Linie des Kabels.
    Wenn wir dieses Manöver verpatzten, hatten wir unsere letzte Chance verspielt, denn unsere neue Flugbahn zeigte auf den Lagrange-Punkt Erde – Sonne in Rotationsrichtung. Wir würden uns in einer 8-förmigen Schleife bewegen, die uns erst Monate später zurück zur Erde brächte.
    Die Klaue, sandte ich.
    Manuel nickte und ließ die erste Klaue spielen, die wir schon einmal für die Verbindung zum Kabel genutzt hatten. Währenddessen schaltete Meda den Funk ein.
    »Apollo! Was soll das? Deine Flugbahn ist völlig falsch!« Aldo hatte sich noch immer nicht eingekriegt.
    »Wir klammern uns an den Fühler – das Kabel, das das Gegengewicht herstellt«, erklärte Meda. »Vielleicht brauchen wir später jemanden, der uns abholt.«
    Ein Moment Stille. »Apollo …« Offensichtlich überlegte Aldo, ob unser Plan realistisch war. Hätte er eine Komponente wie mich gehabt, hätte er es sofort gewusst. »Und das …?«
    »Ja, Aldo, das klappt.«
    »Wenn ich dich abholen soll, brauch ich mehr Treibstoff.«
    »Hat keine Eile«, sagte Meda. »Lass dir Zeit.« Sobald wir das Ende des Fühlers erreicht hatten, würden wir wie ein Pendel hin und her schwingen, mit der Station als Angelpunkt. Ein kompletter Schwung würde Stunden dauern, aber wir konnten warten.
    Sechzig Sekunden. Ich konnte nicht bremsen. Wir hatten genau eine Chance, eine zweite würde es nicht geben.
    »Festhalten, Flora«, funkte Meda über die allgemeine Frequenz. »Falls du uns hören kannst.«
    Da, sagte Strom, und alle blickten durch seine Augen.
    Das Kabel schwang auf uns zu. Wir näherten uns aus einem schiefen Winkel mit gegenläufigen Vektoren, und das schnell, sehr schnell. Ein Licht, eine Bake für verirrte Raumschiffe, rauschte an uns vorbei. Glück gehabt, dachte ich mir. Mit der nächsten mussten wir erst in zehn Kilometern rechnen.
    Vor uns schwebte der Spinnenfaden – ein Regentropfen, den die Relativität ins Unendliche gestreckt hatte. Jetzt glitt er zwischen die Finger von Manuels ausgestreckter Klaue.
    Manuel packte zu, die Sleds wurden durchgerüttelt, und die ganze Kabine hallte wider, als Metall auf Metall knirschte.
    Pass auf, dass das Kabel nicht reißt!
    Manuel ließ los, griff wieder zu und zog

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