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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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linke Fessel löste. Kein Problem. Nachdem ich den rechten Fuß mit dem linken befreit hatte, rollte ich den Körper zusammen und versuchte, die Schlaufen um meine Handgelenke zu erreichen, die auf Hüfthöhe fixiert waren. Ich zog und zerrte, aber ich war einfach nicht flexibel genug. Frustriert ließ ich mich auf die Matratze fallen – und hatte eine Idee. Ich hob die Hüfte, winkelte die Knie ab und schob die Füße unter die Oberschenkel, bis sie gerade so an das Lederband um meine Handgelenke stießen. Dann streckte ich die Zehen und tastete nach der linken Schnalle. Bald hatte ich sie gelockert, und ein paar Sekunden später war ich frei.
    Ich befand mich in einem kleinen Raum, etwa zwei mal zwei Meter groß mit einer hohen Decke. Keine Möbel außer dem Krankenhausbett an der Wand gegenüber der Tür, kein Fenster außer dem Oberlicht, durch das ein fahles Neonglimmen drang.
    Der Türknauf ließ sich nicht herumdrehen; offenbar hatte McCorkle von außen abgeschlossen. Mein Blick wanderte hinauf zum Oberlicht. Zu hoch. Ich schob das Bett vor die Tür, stieg drauf, bekam die breite Unterkante der Öffnung zu fassen und zog mich hoch.
    Hinter dem Oberlicht lag ein leerer Flur. Ich drückte gegen das Fenster, um festzustellen, dass es ebenfalls verriegelt war. Ich drückte kräftiger, bis die Glasscheibe im Rahmen knirschte. Eine Staubwolke hüllte mich ein, ohne dass ich den Staub gerochen hätte. Meine Nasenflügel zuckten, ich musste ein Niesen unterdrücken, aber ich roch nichts, überhaupt nichts. Sie hatten mir etwas genommen.
    Aus purer Wut schlug ich gegen das Fenster, das prompt zersprang und auf der anderen Seite auf den Boden prasselte. Zentimeter für Zentimeter schob ich mich durch die Öffnung, und trotzdem spürte ich ein Kratzen auf dem Rücken. Dann stieß ich mich ab und landete jenseits der Scherben im Flur.
    Erst hier im Neonlicht fiel mir auf, dass ich nicht meine alte Kleidung, sondern einen blassgrünen Kittel trug, wie ein Patient im Krankenhaus. Ich strich über die Stelle, wo ich mich an dem gesprungenen Glas geschnitten hatte, und betrachtete meinen blutigen Finger. Wenigstens spürte ich den Schmerz, und dafür war ich dankbar, denn er steigerte meine Wut.
    Bestimmt hatte irgendwer gehört, wie das Fenster zersplittert war, und wenn nicht, war der Scherbenhaufen auf dem Boden nicht zu übersehen. Ich musste mich verstecken, aber vor allem musste ich meinen Pod finden.
    Eine Tür reihte sich an die andere, den ganzen Flur hinunter, der sich zu beiden Seiten zwanzig oder dreißig Meter fortsetzte, bevor er jeweils eine Biegung beschrieb. Willkürlich entschied ich mich für eine Richtung und fing an, sämtliche Türen zu öffnen. Jedes Mal fand ich einen würfelförmigen Raum mit Bett vor, eine exakte Kopie meiner Zelle. Ich dachte schon, keines der Zimmer sei belegt, als ich eine junge, schlafende Frau entdeckte, offenbar auch sie ein Podmitglied. Obwohl ich keine Ahnung hatte, wer sie war, und obwohl ich möglichst schnell weitersuchen wollte, konnte ich sie nicht einfach so liegen lassen. Also schüttelte ich sie, bis sie aufwachte.
    Verwirrt blinzelnd richtete sie sich auf. Sie war nicht gefesselt. »Was machst du da?«
    »Ich fliehe«, antwortete ich und rannte zurück auf den Flur zur nächsten Tür.
    Sie wankte mir hinterher. »Warum?«
    »Weil das ein schlechter Ort ist.«
    »Und wo willst du hin?«
    »Zu meinem Pod.«
    »Ich hatte auch mal einen Pod.«
    »Hilf mir, die Türen aufzumachen.«
    Am anderen Ende des Flurs tauchte ein Pfleger auf. Im nächsten Augenblick fing er an zu brüllen, und die Frau sackte wimmernd an die Wand.
    Ohne ihn aus den Augen zu lassen, wich ich langsam zurück, während er sich immer schneller näherte. Als er in vollem Lauf war, sprintete ich plötzlich auf ihn zu, sprang im letzten Moment zur Seite und stellte ihm ein Bein. Sein massiger Körper knallte auf den Boden. Einen Sekundenbruchteil später hatte ich ihm das Knie auf die Brust gesetzt, riss ihm den Schlagstock aus der Hand und drückte ihn gegen seine Kehle. Der Pfleger würgte und grunzte, bis er schließlich verstummte und nur noch panisch in mein Gesicht starrte.
    »Ich bin kein glücklicher Mensch«, flüsterte ich. »Ich bin wütend, sehr, sehr wütend. Verstanden?«
    Der Pfleger keuchte zustimmend.
    »Gut. Also, wo ist mein Pod?«
    Er wollte etwas sagen, brachte aber wieder nur ein Keuchen heraus. Ich lockerte den Schlagstock. »Wei … weiß nicht«, hustete er.
    Ich holte aus und

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