Der Ring
»Die vier sind fast schon ein Pod. Wenn sie jetzt noch die Zwillinge annehmen, haben wir ein Sextett. Das erste Sextett überhaupt.«
»Oder wir haben ein Quartett und ein Duo, und unser Labor ist aus dem Weltraumprogramm raus! Das ist doch der pure Wahnsinn, Yoder!«
»Nein. Es wäre Wahnsinn, diese Chance ungenutzt verstreichen zu lassen. Und was sind das eigentlich für Quellen , auf die du dich ständig berufst? Das ist ja der reinste Deus ex Machina! Oder hast du irgendwelche wissenschaftlichen Belege?«
Khalid zögerte. »Wenn es unbedingt sein muss, bitte, gehen wir zu Cahill. Cahill kennt meine Quellen.«
Yoder seufzte, und einer von ihm zuckte die Achseln.
»Wir müssen eines der Zwillingspaare spalten«, sagte Khalid. »Und zwar bald.«
»Einen Monat«, ächzte Yoder. »Lass mir noch einen Monat Zeit. Die Kinder sind doch noch jung. Bitte, gib mir die Chance.«
»Nein. Das Zweite Stadium steht an. Konsenstraining.« Hinter Khalid öffneten sich die Tore der Krippe, sein Groundcar fuhr vor. Einer von ihm öffnete die Tür, die anderen stiegen ein, aber der Letzte drehte sich noch einmal um. »Zum Ende der Woche brauche ich deine Entscheidung.«
Yoder schaute ihm hinterher, bis er um die Ecke verschwunden war, und schüttelte den Kopf. Ein paar Meter über ihm konnte es Manuel kaum erwarten, dass er endlich reinging. Als es so weit war, sprang er auf, hangelte sich durch die Baumkrone, rannte den Ast entlang zum Spielplatz, ließ sich auf den Zaun fallen und stürzte von dort fast in den Sandkasten.
»Was haben die sich so gestritten?«, fragte Meda. Wenn eine von ihnen mit den anderen Kindern oder Matron Redd sprach, dann meistens sie.
»Über uns.« Als sich Manuels und Corrines Augen trafen, runzelte sie sofort die Stirn. Natürlich wusste sie, dass er sowohl sie beide als auch alle sechs zusammen meinte.
»Und was ist mit uns?«, hakte Meda nach.
»Sie sind sich nicht einig, wann wir mit dem Konsenstraining anfangen sollen.« Ihm war klar, dass Corrine nicht auf die halbe Lüge hereinfallen würde.
Erst nach dem Abendessen, beim Spielen im Lesezimmer, konnten sich Manuel und Corrine unter vier Augen unterhalten. Den ganzen Tag hatten sie das Gefühl gehabt, dass ihnen die anderen zu sehr auf die Pelle rückten. Jetzt nahm Manuel ihre Hand. »Sie wollen einen von uns wegnehmen. Damit wir ein Quintett sind.«
»Was? Das geht doch nicht! Warum wir? Warum nicht einen von den anderen?«
»Wir beide sollten zusammen sein, Corrine. Als Duo.«
Sie zog die Augenbrauen zusammen – und in diesem Moment begriff er, dass sie kein Duo sein wollte. Dass sie mehr wollte, mehr als nur ihn. »Nein, sie sollten Quant wegnehmen. Die sagt sowieso nie was.«
Stimmt, dachte Manuel. Quant lebte wirklich in ihrer eigenen Welt. Nur manchmal fing er einen verirrten Gedanken aus ihrem Reich auf: akribische Inventarlisten, zum Beispiel der Gabeln, Löffel und Zahnstocher im Speisesaal, Aufstellungen ihrer Anzahl gestern und heute; oder die Windgeschwindigkeit, und nicht wie sich der Wind auf dem Gesicht anfühlte. »Aber Dr. Yoder sagt, die vier sind fast schon ein Pod.«
»Das heißt …« Corrine verstummte. »Holst du uns ein paar Kekse, Manuel?«
»Klar«, erwiderte er und flitzte die Treppe hinunter, um ein paar frisch gebackene Kekse von Matron Redd zu holen. Als er zurückkehrte, war das Lesezimmer leer. »Corrine?«
Keine Antwort.
Er rannte ins Schlafzimmer. Leer.
Er rannte in den Computerraum, ins Spielzimmer. Leer, leer.
Er wollte nicht heulen, aber seine Wangen waren nass.
Da hörte er ein Kichern aus dem Schlafzimmerschrank. Er riss die Tür auf, und dort steckten sie, alle fünf.
»Sei nicht so eine Heulsuse«, sagte Corrine, »wir haben doch bloß Verstecken gespielt.«
Manuel hielt ihr die Kekse hin.
»Danke, aber wir haben jetzt keine Lust auf Kekse.« Strom nahm sich zwar gleich zwei, aber ansonsten hörten alle auf Corrine, als sie ins Lesezimmer marschierte und eine Runde Ökokatastrophe organisierte. Auch Manuel rannte ihr hinterher, doch an der Partie konnten leider nur fünf teilnehmen. »Du spielst bei der zweiten Runde mit, Manuel«, sagte sie. Er schlief noch während der ersten ein.
Am nächsten Morgen sollte er allein in Dr. Yoders Zimmer kommen. »Corrine hat es verdient«, platzte er heraus, kaum dass der Arzt die Tür geschlossen hatte. »Ich geh zurück nach Gorton.« Wieder spürte er Tränen auf den Wangen.
Dr. Yoders Gesichtszüge wurden weich. »Woher weißt du das?
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