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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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zog ihm den Stock über den Schädel. Moira hätte mich ermahnt, Ruhe zu bewahren und nachzudenken, aber Moira war nicht bei mir, und ich hatte keine Lust auf Nachdenken. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals so wütend gewesen zu sein.
    Die junge Frau räusperte sich. »Neue Pods werden in Flügel 2 oder 3 untergebracht. Wir sind in Flügel 2.«
    »Und wo ist 3?«
    »Kann ich dir zeigen«, antwortete sie.
    Ich holte noch einmal aus und schlug so fest zu, dass der Pfleger das Bewusstsein verlor. Vielleicht hatte ich ihm den Schädel eingeschlagen, aber das war mir egal. Ich zerrte ihn in ein Zimmer und zog ihn aus. An seinem Gürtel hing eine Schlüsselkarte.
    »Jetzt siehst du aus wie ein Arzt«, meinte die Frau. »Richtig gruselig.«
    An ihrem Hals entdeckte ich Pheromondrüsen, an ihren Handgelenken Pads zur chemischen Gedankenübertragung, aber sie verströmte keinen Geruch. Allerdings konnte ich mir nicht sicher sein, ob sie tatsächlich defekt war, oder ob man ihr nur dieselbe Droge verabreicht hatte wie mir. Oder ob nur ich nichts riechen konnte. »Wie heißt du?«, fragte ich.
    »Jol. Eigentlich Edgar Longhorn, aber das war einmal. Ist lange her.«
    Sie war Teil eines zerfallenen Pods. Ich schluckte krampfhaft, um mich nicht vor Ekel zu übergeben. »Zeig mir den Weg zu Flügel 3.«
    »Hier entlang.« Jol führte mich zu einer Treppe, hinauf ins nächste Stockwerk und in einen identischen, menschenleeren Korridor, wieder mit unzähligen Türen.
    »Wie viele Menschen werden hier festgehalten?«
    Sie zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Ziemlich viele. Sie bringen uns direkt aus der Krippe hierher, wenn wir … na ja, wenn sich unsere Pods nicht richtig verbinden.«
    »Das heißt … Wie lange bist du schon hier? Seit fünfzehn Jahren?«
    »Ja, so ungefähr. Aber geboren bin ich in der Osbourne-Krippe. Meine Freunde und ich waren ein Pod. Edgar Longhorn, den Namen hatten wir uns selbst ausgesucht. Wir waren ein Quartett, aber das hat nicht richtig geklappt. Deshalb haben sie sich zu einem Trio umgebildet. Ohne mich. Und danach … danach konnte ich es einfach nicht mehr.«
    Ich musterte sie. Jol hatte es nicht mal mehr geschafft, ein Duo zu bilden, deshalb hatte man sie in diese Anstalt eingewiesen. Zum ersten Mal wurde ich mit der Schattenseite der Podgesellschaft konfrontiert, mit dem Ausschuss, den sie zwangsläufig produzierte. Und selbst wenn auf tausend funktionsfähige Pods nur ein zugrunde gerichteter Mensch kam – ich war mir nicht sicher, ob es das wert war. »Das tut mir leid. Ich meine, dass du keinen Pod mehr bilden konntest.«
    »Schon gut. Ist ja schon Jahre her. Ich hab mich damit abgefunden. Vielleicht bin ich bald so weit, dass ich mich einer Singleton-Enklave anschließen kann. Hier geht’s lang.« Sie führte mich den Flur hinunter. »Das hier ist Flügel 3.«
    Weiter hinten näherten sich zwei Gestalten. Schnell drückte ich Jol in eine Nische und legte ihr einen Finger auf die Lippen. Als ich um die Ecke spähte, erkannte ich einen der beiden wieder: den Singleton, der mir die Spritze verabreicht hatte. Ich dachte schon, der andere sei einer von McCorkle, aber diesmal hatte der Arzt nur einen Pfleger dabei. Plaudernd schlenderten die beiden in meine Richtung bis vor eine Tür. Die Hand auf dem Knauf, lachte der Arzt noch über einen Witz des anderen. Wo war Anderson McCorkle?
    Als sie eintraten, rannte ich los. Vielleicht befand sich einer von uns in der Zelle, und ich konnte nicht zulassen, dass sie auch die anderen unter Drogen setzten. Ich konnte nicht zulassen, dass sie auch ihre Sinne zerstörten.
    Im letzten Moment schob ich die Fingerspitzen in den Spalt und hielt die Tür ein paar Millimeter offen.
    »Wo ist mein Pod?« Medas Stimme!
    »Du hast keinen Pod mehr, junge Dame.«
    »Natürlich habe ich einen Pod. Wir sind Apollo Papadopulos.«
    »Schwachsinn. Wärt ihr ein lebensfähiger Pod, hätte man euch nicht hierhergeschickt.«
    »Wir sind ein funktionsfähiges Quintett. Sie haben kein Recht, uns voneinander zu trennen.«
    »Ein Quintett! Dass ich nicht lache. Davon gibt’s weltweit zehn, wenn’s hochkommt. Und eins davon wandert planlos durch den Dschungel? Nein, nein, ihr seid eines dieser missratenen Experimente, an denen die Schwärme immer rumbasteln. Lauter zerfallene Pods, lauter Krüppel. Bekommen wir ständig herein. Und wir dürfen euch dann wieder gesellschaftsfähig machen!«
    »Wir sind nicht zerfallen!« Panik schlich sich in Medas Stimme.
    »Ich mach dir ja

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