Der Ring
keinen Vorwurf. Du kannst ja nichts dafür, dass sie deinen Körper versaut haben.«
»Was ist das für eine Spritze?«
Ich stieß die Tür auf und stürzte mich auf den nächsten Singleton, kratzte, schlug und würgte ihn mit Händen und Füßen. Zufällig hatte ich den Arzt erwischt; die Kanüle rutschte ihm aus den Händen und schlitterte über die Fliesen.
Der Pfleger, der, genau wie der Arzt, viel kräftiger gebaut war als ich, packte mich an den Schultern und zerrte mich nach hinten. Mit einem dumpfen Knall landete ich an der Wand.
»Was macht der denn hier?«, schrie der Arzt.
Wieder stürzte ich mich auf ihn, die Krallen gespreizt, doch kaum hatten sich meine Hände um seine Kehle geschlossen, hatte mich der andere im Schwitzkasten. Gegen beide auf einmal hatte ich keine Chance.
Der Pfleger presste mich gegen die Wand, bis ich mich nicht mehr rühren konnte.
»Ich geh Handfesseln holen!«, rief der Arzt und verschwand durch die offene Tür. »Hey!«
Draußen krachte irgendetwas gegen die Wand, und kurz darauf ließ der Druck auf meine Brust nach. Als ich auf den Boden sackte, sah ich, wie Strom den Pfleger auf den Arzt schleuderte, der bereits reglos in der Ecke lag. Dann warf er mir ein Lächeln zu und machte sich daran, Medas Fesseln zu lösen.
Während sich Meda und Strom an den Händen fassten, um Erinnerungen auszutauschen, starrte ich ins Leere. Normalerweise hätte ich ihre Pheromone schmecken oder zumindest einen Hauch ihrer chemischen Gedanken einfangen müssen, aber da war nichts, überhaupt nichts. Auf einmal bekam ich es richtig mit der Angst zu tun und verbarg die Handgelenke hinter dem Rücken.
»Komm«, sagte Strom und rannte mit Meda aus dem Zimmer. Ich folgte ihnen, zog die Tür hinter mir zu und sperrte ab. Die beiden Typen würden vorerst keinen Ärger mehr machen.
Hinten, am Ende des Flurs, entdeckte ich Quant. Mit ausgestreckten Händen rannte sie auf Strom und Meda zu, während ich mich immer weiter zurückfallen ließ. Warum hörte ich überhaupt nichts?
Neben mir stand Jol, die meinen vereinten Pod mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck betrachtete. Offensichtlich hatte sie die anderen befreit, während ich Medas Zelle gestürmt hatte.
Ich ging von Tür zu Tür. »Wo ist Moira?«
»Hier!«, kam es dumpf von ganz hinten.
So schnell ich konnte, folgte ich der Stimme bis zu einer Tür, stieß sie auf und sah Moira, die an Händen und Füßen gefesselt auf dem Bett lag. Kurz darauf schlossen wir uns in die Arme.
»Danke.«
Als wir uns draußen im Flur versammelten, nahmen mich Quant und Moira an den Händen, damit ich mich nicht wieder zurückziehen konnte. Halbherzig versuchte ich, mich loszureißen, gab es aber bald auf.
Nichts.
Ich hörte nichts. Meine Gedanken pressten sich gegen die Innenwand meines Schädels, ohne den Rest von mir zu erreichen.
Plötzlich blickten mich alle vier an, blankes Entsetzen in den Gesichtern.
»Ich kann nicht mit euch denken.« Meine Stimme bebte.
Sie zogen mich in ihren Kreis.
»Keine Sorge«, sagte Moira. »Das geht bestimmt bald vorbei.«
»Ich weiß nicht, sie haben mir irgendeine Droge gespritzt. Sie wollten uns alle unter Drogen setzen.«
Strom sprach das Offensichtliche aus. »Wir müssen hier weg.«
Ich konnte nur zusehen, wie unser Beschützer die Initiative ergriff – ohne ihn zu spüren, ohne den vertrauten Drang zu spüren, ihm zu gehorchen. Ich wusste, dass sich die anderen auf seine Instinkte einstellten, aber ich gehörte nicht dazu.
»Und wo sollen wir hin?«, fragte Jol, die wieder neben mir stand, in ihren Krankenhausklamotten, mit ihren hoffnungslos zerzausten Haaren.
»Keine Ahnung, aber wir müssen jetzt los«, sagte ich. »Danke für deine Hilfe. Du hast uns das Leben gerettet.«
Sie lächelte. »Ist das dein Pod?«
»Ja. Aber ich komme nicht an ihn heran. Diese Droge …«
Erst jetzt bemerkte ich, dass die anderen schon fast am Ende des Flurs angelangt waren. In einer synchronen Bewegung drehten sie sich um und sahen mich an.
»Komme!«, rief ich ihnen hinterher.
Im selben Moment entdeckte ich die beiden Gestalten, die hinten um die Ecke bogen. Sie bewegten sich schneller, als ich überhaupt schalten konnte.
Anderson McCorkle.
Er wusste genau, wie er uns am empfindlichsten treffen konnte: indem er Strom angriff, der in Kampfsituationen automatisch die Kontrolle übernahm. Da er sich selbst verteidigen musste, konnte er den Pod nicht koordinieren. Die anderen drei und ich mussten verunsichert und
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