Der Ring
ihren ersten richtigen Job antraten. Wir hatten beschlossen, uns wieder als simplere Pods auszugeben, weil das OG wahrscheinlich nach einem Quintett fahndete.
Ein paar Stunden später hatten wir das Amazonasbecken verlassen und fuhren stetig bergauf, in Richtung Anden. Quant ließ das endlose Geplapper des Fahrers über sich ergehen, während sich der Rest auf die Rückbank verzogen hatte. Wir mussten zumindest versuchen, ein bisschen zu schlafen.
Sicher, flüsterte Manuel.
Norden, antwortete Meda.
Die Bären, meinte Strom.
Ich lauschte den Gedanken, die aus dem Halbschlaf meiner Podpartner herüberdrifteten, aber meine eigenen Sorgen behielt ich lieber für mich: Früher oder später würden wir uns unseren Taten stellen müssen; unseren Taten und dem, was uns angetan worden war.
Das Basislager war verlassen, die Baracken grau und zerfallen, als wären sie schon vor Jahren und nicht erst vor Monaten aufgegeben worden. Auf unserer Wanderung von Old Denver hierher war uns keine Menschenseele begegnet, eine Erfahrung, die sich fortsetzen sollte. Über uns, hinter den dichten Bäumen, türmte sich das vertraute Gipfelpanorama auf, und bald fanden wir auch den Fluss, den Strom mit Hagar Julian hinuntergelaufen war. Die Schneeschmelze war weitgehend vorüber, aber der Frühlingsregen hatte das Wasser stark anschwellen lassen.
Nichts, sandte Quant. Keine Spur von den Bären.
Strom wich ihrem Blick aus und suchte die umliegende Landschaft ab, ohne seine Gedanken zu kommunizieren. Mit jedem Tag unserer Wanderung hatte er sich weiter in sich zurückgezogen, denn Quant hatte Recht: Die Bären waren verschwunden.
Rehe, Eichhörnchen und Hasen waren uns in rauen Mengen begegnet, aber keine genmodifizierten Exemplare. Außerdem strichen einige kleinere Fleischfresser durchs Land, zum Beispiel ein Rudel Kojoten, das wir nachts heulen hörten. Nur Stroms Bären wollten sich nicht zeigen, was er geradezu persönlich nahm.
Das OG hat wochenlang nach ihnen gesucht. Warum sollten wir sie plötzlich finden?, fragte Manuel.
Strom schwieg, den Blick weiter auf die Gipfel gerichtet.
Ich spürte den drohenden Riss in unserer Gruppe. Strom hat sie schon mal gefunden, und er wird sie ein zweites Mal finden. Kaum hatte ich den Gedanken gesandt, begriff ich, was für einen Druck ich damit aufbaute. Aber es war zu spät, ich konnte ihn nicht zurücknehmen. Quant unternahm noch einen halbherzigen Versuch, einen Konsens herzustellen. Niemand ging darauf ein.
Danke, Moira, schickte Strom schnell herüber.
Seit unserer Flucht von Columbus Station waren Wochen vergangen, Wochen, in denen wir immer nur geflohen waren: durch den Ring, den Aufzug hinunter, den Amazonas hinauf und schließlich auf dem Nord-Süd-Highway einmal quer durch Zentralamerika. Obwohl ich von Anfang an gewusst hatte, dass unser Vorhaben möglicherweise zum Scheitern verurteilt war, hatte ich mich nicht gegen unsere Entscheidungen gewehrt. Zumindest war die Suche nach den Bären ein Ziel, eine Aufgabe, die uns ablenkte, während wir die Risse in unserem Pod heilten.
Vor uns brach sich die Nachmittagssonne in einem Wasserfall.
Hier ist es ganz anders als am Amazonas, sandte Manuel. Noch wirkten seine Gedanken gedämpft, seine Gefühle distanziert, doch er rückte täglich näher an uns heran. Die Droge aus Bolivopolis verlor langsam, aber sicher an Wirkung, dachte ich, und eine Welle der Erleichterung schwappte durch den Pod. Wir erinnerten uns nicht gerne an die Zeit, als er sich immer weiter von uns entfernt hatte.
Meda nickte. Ja, hier ist es fast ein bisschen trostlos.
Auf unserer Reise in den Norden hatten wir tote Landstriche durchkreuzt, wo biologische Kampfstoffe oder nukleare Strahlung riesige Radien der Zerstörung gezogen hatten. Erst hier, in den Bergen, begegnete uns wieder ungezähmte Natur, die verglichen mit dem Dschungel aber ziemlich eintönig wirkte.
Strom spähte über das flache Tal in unserem Rücken. Bären haben ein großes Revier. Er hatte sich zu unserem Experten in Sachen Bären entwickelt, obwohl wir alle über dieselben Informationen verfügten. Was einer oder eine wusste, wusste der ganze Pod. Bären legen weite Strecken zurück.
Aber das sind keine normalen Bären, gab Quant zu bedenken, sondern genmodifizierte Schwarmbären. Die Intelligenz des Pods dürfte ihre üblichen Verhaltensmuster überlagern.
Aber wir zeigen doch auch menschliche Verhaltensmuster!
Die wiederum von den Verhaltensmustern des Pods überlagert
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