Der Ring
ich.
Ich nickte und zog ihn zurück in die Gruppe. Während wir uns enger aneinanderdrängten, fragte ich mich wieder einmal, wonach wir eigentlich suchten.
Drei Tage später hatten wir die Baumgrenze erreicht. An schattigen Stellen hielten sich noch einige Schneeklumpen, während wir ansonsten über kahlen Fels liefen, der nur selten von verkrüppelten Kiefern aufgelockert wurde.
Quant erkannte das Muster als Erste. Da und da, wo die Bäume verschwunden sind. Der aufgewühlte Boden. Erst nach einigen Sekunden begriff ich, was sie meinte – die Rinnen, die die Lawinen hinterlassen hatten.
Durch ihre Augen war es nicht zu übersehen: zwei breite Bahnen voller losem Gestein, das sich an größeren Findlingen staute, dazwischen Felsen, die noch kaum verwittert waren, und ein paar entwurzelte Bäume. Weiter oben erkannte ich die Steilwand, von der die Lawinen gekommen waren, und ein Stück weiter unten einen breiten Vorsprung, an dem sie sich geteilt hatten.
Wenn es noch Beweise gibt, sandte Strom, dann da oben.
Nicht weit von der Stelle, wo wir vor einigen Monaten gecampt hatten, schlugen wir unser Lager auf. Nachts sang der Wind noch lauter in den Zeltschnüren, denn die Kiefern, die uns damals notdürftig abgeschirmt hatten, waren von den Schneemassen fortgerissen worden. Kaum einer tat ein Auge zu.
Bei Morgengrauen nahmen wir den Steilhang in Angriff. Mit McCorkles Scrip hatten wir in Old Denver ein paar Anker und Karabinerhaken gekauft, die wir jetzt an unseren alten Spinnenseidefäden befestigten. Manuel, der ohne uns in ein paar Minuten oben gewesen wäre, kletterte vorneweg, während ich mich in dem komplexen Planspiel aus Haltegriffen und Wegoptimierung verlor.
Trotz der eisigen Luft kamen wir so sehr ins Schwitzen, dass wir bald unsere Jacken auszogen und um die Hüften banden. Gegen Mittag hatten wir den Vorsprung erreicht, an dem sich die Schneemassen geteilt hatten, eine verhältnismäßig breite und ebene Granitfläche. Unter uns zog sich eine grüne Rinne durchs Gebirge – das Flusstal, das wir eben durchwandert hatten.
Manuel deutete auf einen grauen Flecken in einigen Kilometern Entfernung. Das Basislager.
Von hier oben waren die Bahnen der Zerstörung, die der Schnee hinterlassen hatte, selbst für mich nicht zu übersehen: zwei breite, graue Geröllspuren, die sich den Hang hinab in die Tiefe wälzten.
Eine Menge Steine, sandte Meda. Das waren heftige Lawinen.
Quant musterte den Boden. Klauenabdrücke. Von der Stabilisierungsklaue eines Aircars. Sie kniete sich hin und strich über die Rille im Fels.
Kurz darauf hatte Manuel eine zweite Rille entdeckt, und etwas weiter hinten sahen wir schon den dritten Eckpunkt des Triangels. Er schritt den Abstand ab, um den Hüllendurchmesser abzuschätzen. Zehn Meter.
Quant nickte. Conojet oder Thalit.
Das Militär nutzt Thalits.
Aus Stroms Richtung schwappte ein heftiges Veto herüber. Wir wissen nicht, wann sie hier gelandet sind. Vielleicht erst später im Rahmen der Suchaktion.
Ich stimmte zu, um Quants und Manuels Konsens zu stoppen, bevor er sich zu sehr festigte.
Unterdessen war Manuel weiter hinaufgeklettert, etwa fünfzig Meter hoch bis zum Ende der Steilwand.
»Pass auf!«, rief Strom.
Ohne zu antworten, hangelte sich Manuel den schmalen Felsvorsprung entlang. An einer winzigen Einbuchtung hielt er inne. »Ich hab’s!«
»Was?«
»Hier hat irgendwer ein Loch gebohrt.« Er steckte eine Hand in den Stein, zog sie wieder heraus und roch an den Fingern. In einer Mischung aus Klettern und Schlittern kehrte er zu uns zurück.
Unten streckte er eine weiß gepuderte Hand aus, die einen unverwechselbaren Duft verströmte.
Sprengstoff.
Als es dunkel wurde, verkrochen wir uns im Zelt, das wir zuvor mit Karabinern im Stein verankert hatten. Während draußen der Wind um den Felsvorsprung pfiff, kämpfte ich gegen den Strudel der Depression an, der uns unerbittlich in die Tiefe zog. Es war ein aussichtsloser Kampf. Als wir Anderson McCorkle von Angesicht zu Angesicht gegenübergetreten waren, hatten wir uns erstaunlich schnell damit abgefunden, dass man uns töten wollte, aber jetzt, nachdem wir hatten einsehen müssen, dass wir schon vor unserem Praktikum auf Columbus Station Todfeinde gehabt hatten, wussten wir nicht mehr weiter. Ein altbekannter Gegner war leichter zu ertragen als unsichtbare, undurchschaubare Mächte.
Wir müssen zurück, sandte Meda.
Manuel regte sich. Warum? Was haben wir schon vorzuweisen?
Immerhin können
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