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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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wir beweisen, dass sich irgendjemand gegen uns verschworen hat.
    Hier oben kriegen sie uns wenigstens nicht.
    Aber haben wir nicht die Pflicht, das zu melden?
    Ich wusste, dass Meda mich damit aus der Reserve locken wollte, konnte aber nur mit den Schultern zucken. Ich hatte selbst die Orientierung verloren – wem waren wir überhaupt noch verantwortlich?
    Als ich mich nicht äußern wollte, runzelte sie die Stirn und verschränkte die Arme. Was sollen wir denn sonst machen? Sollen wir hierbleiben, bis es Winter wird? Irgendwann würde ich gerne mal duschen.
    Nach einer kurzen Pause setzte sich Strom auf. Wir haben eben erst angefangen, nach den Bären zu suchen.
    Diese Bären, antwortete Meda, sind nur irgendein Experiment.
    Na und? Sie haben mir das Leben gerettet. Ich stehe in ihrer Schuld.
    Dann lass sie in Ruhe.
    Zutiefst eingeschüchtert von Medas Angriff wandte sich Strom ab. Eigentlich war es meine Aufgabe, den Streit zu schlichten, aber ich wusste selbst nicht, was richtig war und was falsch; alle Optionen bargen große Risiken. Ich spürte Quants und Manuels erwartungsvolle Blicke. Reicht es denn nicht, wenn wir uns morgen entscheiden?
    Meda schüttelte den Kopf. Ist doch egal, ob heute, morgen oder übermorgen. Die Fakten bleiben die gleichen.
    Sie wollte einen Konsens erzwingen, und zwar sofort, ohne auf unsere Schwachstellen zu achten: Manuel hatte die Droge gerade erst überwunden, und Medas eigene Psyche war noch längst nicht wieder stabil.
    Deshalb antwortete ich aggressiver als beabsichtigt. Hast du etwa vergessen, warum sie uns jagen?
    Quant winkte ab. Die Lawine war vor Malcolm Leto. Das kann es nicht sein. Es muss einen anderen Grund geben.
    Sie hatte Recht, nur was für einen Grund? Ich wusste es nicht, aber eines hatte ich mittlerweile begriffen: In diesem labilen Zustand konnten wir es nicht mit dem Overgovernment aufnehmen. Also traf ich eine Entscheidung. Seit dem Anschlag sind Monate vergangen. Falls nötig, sind die Beweise in ein paar Monaten immer noch da. Die Bären sind wichtig für Strom und noch wichtiger für die Wissenschaft der Podgesellschaft. Wir sollten zumindest versuchen, sie zu finden.
    Das Rad des Konsens drehte sich, bis selbst Meda zustimmte. Auch wenn sie mir noch immer nicht in die Augen schauen wollte.
     
    Es war eine alte Höhle. Modergeruch hatte den typischen Duft verdrängt, an Wänden und Boden klebten nur noch ein paar Haare. Kein Zweifel, hier hatten Bären überwintert, aber offensichtlich nicht erst letzten Winter.
    Seit zwei Wochen folgten wir jetzt den Pfaden, die sie durch den Wald gezogen hatten, vom abgestorbenen Baumstamm bis zum Bienenstock und weiter zum Fluss. Immer hielten wir die Augen offen, aber abgesehen von ein paar alten, eingetrockneten Pfotenabdrücken im Matsch neben einem Bach hatten wir nichts gefunden – bis zu dieser Höhle.
    Riecht nach Gedanken, meinte Strom und atmete tief ein, während er den Strahl der Taschenlampe über die Wände gleiten ließ.
    »Und?«, rief Meda vom Eingang herüber.
    »Nichts!«, antwortete ich. Weil die Höhle ziemlich klein war, warteten Meda, Quant und Manuel draußen.
    Ich atmete tief ein, spürte aber nur abgestandenen Bärgeruch. Die sind schon lange weg, Strom.
    Er zuckte die Schultern und machte sich auf den Rückweg, den sanft ansteigenden Schotterhang zum Eingang hinauf. Nachdem wir unsere Eindrücke mit den anderen geteilt hatten, setzten wir uns und aßen zu Mittag. Quant hatte einen Brombeerstrauch ausfindig gemacht, der riesige Früchte trug, so groß wie Stroms Fingerknöchel. Soweit möglich ernährten wir uns von der Natur: von Walderdbeeren, Forellen, Brombeeren, Himbeeren. Einmal huschte ein Rudel Rehe an uns vorbei, aber Säugetiere kamen für uns nicht infrage. Offensichtlich konnten Biber und Bären Pods bilden, also warum nicht auch Rehe? Fische waren in Ordnung, ja selbst Hühnchen, obwohl wir wussten, dass Vogelschwärme zu Pods geformt werden konnten. Aber bei dem Gedanken, Säugetiere zu essen, wurde uns schlecht. Gegenüber unserer Klasse blieben wir loyal, sie zählte mehr als der Stamm.
    Jetzt laufen wir diesen Bären schon seit Wochen hinterher, meinte Manuel. Vielleicht haben sie das Revier verlassen.
    Strom schüttelte den Kopf. Wo sollen sie denn hin? Irgendwo müssen sie doch sein.
    Na ja, vielleicht wurden sie von ihrem geheimnisvollen Schöpfer umgesiedelt, damit man sie nicht findet.
    Ich hatte Strom noch nie so traurig gesehen. Schnell setzte ich mich neben ihn und

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