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Der Ripper - Roman

Der Ripper - Roman

Titel: Der Ripper - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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mich, mir eine Kugel in den Kopf zu jagen. Es war die einzig richtige Methode, wollte ich verhindern, dass ich in dieser Welt noch mehr Schaden anrichtete.
    Ich hatte ein Feuer gemacht, das mich allerdings nur wärmen sollte, da mir seit der Schießerei aller Appetit vergangen war. Ich setzte mich davor und drückte mir den Colt an die Schläfe. Da kam mir der Gedanke, dass es vielleicht richtig wäre, einen Brief zu hinterlassen.
    Doch an wen sollte dieser Brief gerichtet sein? An Mutter? An Sarah? Aller Wahrscheinlichkeit nach würde keine von ihnen diese Zeilen vom Ende der Welt jemals erhalten.
    Vielleicht würde früher oder später ja jemand vorbeigeritten kommen und meinen Brief weiterbefördern. Doch darauf konnte ich mich nicht verlassen. Jeden Tag war ich nach Westen geritten, dem Sonnenuntergang entgegen, und dabei keinem einzigen menschlichen Wesen begegnet. Das war mir nur recht gewesen. Aber es gab mir
wenig Hoffnung, dass jemand meinen Abschiedsbrief finden würde.
    Und was sollte ich überhaupt schreiben? Dass ich jedem, dem ich begegnete, den Tod brachte? Dass ich auf die schiefe Bahn geraten war und getötet hatte? Das Wissen um diese Dinge würde weder Mutter noch Sarah von Nutzen sein. Es war besser, sie über mein Schicksal im Ungewissen zu lassen, als sie mit der düsteren Wahrheit zu belasten.
    Also verwarf ich die Idee wieder.
    Ich spannte den Hahn und wollte gerade den Abzug durchziehen, als General schnaubte.
    Dieser Laut erinnerte mich daran, dass ich ihm für die Nacht die Vorderbeine zusammengebunden hatte. Er würde sterben, wenn ich mich erschoss, ohne ihn vorher freizulassen.
    Ich wollte nur mich töten, nicht auch noch General.
    Also schob ich den Revolver ins Holster und ging zu ihm. Er wandte mir den Kopf zu. »Ohne mich wirst du viel besser dran sein, Kumpel«, erklärte ich und tätschelte ihm den Hals.
    Dann bückte ich mich und löste die Fessel.
    »Und jetzt hau ab.« Ich gab ihm einen Klaps auf die Kruppe. Er trottete ein paar Schritte weiter, blieb stehen und schaute mich an.
    Das ging mich nichts mehr an. Er war frei. Er konnte gehen oder bleiben, ganz wie ihm beliebte. Ich schätzte, er würde weiterziehen, sobald ich mir die Hirnschale weggepustet hatte.
    Ich ging zurück zum Feuer, setzte mich und zog den Colt. Als ich den Hahn erneut spannte, erinnerte mich das daran, wie der Zugschaffner mich erschießen wollte, sein Colt jedoch nicht losgegangen war.

    Es hatte nicht an der Patrone gelegen, was sich ja kurze Zeit später gezeigt hatte, als ich mit den Jungs davongeritten war und in die Luft gefeuert hatte.
    Ich hatte dieses Versagen für einen selten glücklichen Zufall gehalten.
    Doch jetzt betrachtete ich das anders. Es war das schlimmste Unglück gewesen, das man sich nur vorstellen konnte, zumindest für die Bande und die Männer im Saloon und der Posse. Sie alle waren tot, nur weil eine Patrone nicht gezündet hatte.
    Nun, so etwas würde aller Wahrscheinlichkeit nicht zweimal passieren.
    Und falls doch, steckten noch vier weitere Patronen in der Trommel des Revolvers - und fünf in dem anderen. (Emmet hatte mir beigebracht, die Kammer unter dem Hahn unterwegs leer zu lassen und sie nur beim Übungsschießen und bei Schwierigkeiten zu laden.)
    Diesmal würde mich kein Wunder retten.
    Denn das Versagen der Munition damals war eine Art Wunder. So als wäre mir der Tod noch nicht bestimmt gewesen.
    Als ich darüber nachdachte, wurde mir bewusst, wie ich seit dem Abend meines Aufbruchs nach Whitechapel immer wieder lebensgefährliche Situationen überlebt hatte.
    Da war der Ozean gewesen, der mich nicht in die Tiefen gezogen oder tiefgefroren hatte, bevor ich die Küste Amerikas überhaupt erreichte.
    Da war Whittle, der so viele Leute abgeschlachtet, mich aber verschont hatte.
    Von Briggs aus dem Zug geworfen zu werden, hätte mich ebenfalls umbringen können.

    Der Schaffner hatte es auf mich abgesehen und war gescheitert.
    Während der Schießerei im Saloon hatte ich nicht eine Kugel abbekommen. Andererseits waren meiner Erinnerung nach weder Prue noch einer der anderen zum Schuss gekommen, also zählte das wohl nicht.
    Aber die Männer der Posse hatten oft auf mich geschossen, vor allem während des Hinterhalts, in den McSween und ich sie geführt hatten.
    Später dann hatte ich einen Streifschuss abbekommen. Ein guter Schütze hätte mich mit Sicherheit getötet.
    Alles in allem kam eine ganze Reihe von Situationen zusammen, in denen ich dem Tod nur haarscharf

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