Der Ripper - Roman
gerettet.
Aber dafür war nun ich in Gefahr.
Der Ripper kam auf mich zu. Ich taumelte so schnell ich konnte wieder auf die Beine. Er schien es nicht eilig zu haben. Er wechselte die Tasche in die linke Hand, griff in den Mantel und holte ein Messer hervor. Vermutlich dasselbe Messer, das er bei Mary benutzt hatte.
»Sie sind Jack the Ripper!«, stieß ich hervor.
»Tatsächlich?«, fragte er.
Es war dieselbe Stimme, die ich unter dem Bett gehört hatte.
Ich wich zurück und hieb mit dem Messer zu, um ihn auf Distanz zu halten.
Sein Messer war ein ganzes Stück größer als meines. Er stach nicht nach mir, nein, er hielt die Klinge ganz ruhig in der Hand, und es sah so aus, als wollte er sich auf keine Spielchen einlassen, sondern sie mir einfach in den Bauch rammen und mich daran in die Luft stemmen.
»Ergeben Sie sich«, sagte ich. »Oder ich durchbohre Sie.«
Das ließ ihn auflachen. Das konnte ich ihm nicht verdenken.
Ich wich weiter zurück. Er kam weiter auf mich zu.
Ich hoffte noch immer, dass ihn die Wunde, die ich ihm beigebracht hatte, geschwächt hätte, aber die Klinge musste ihn an einer Stelle getroffen haben, wo es nicht viel ausmachte.
Plötzlich griff er an.
Er machte einen Ausfall und zielte auf meinen Bauch.
Ich sprang beiseite. Die Klinge verfehlte mich um Haaresbreite. Ich ließ mein Messer im Gegenzug nach vorn sausen. Dabei hatte ich kein spezielles Ziel im Sinn gehabt, sondern nur gehofft, ihn irgendwo zu treffen, ihn so schwer zu verletzen, wie ich nur konnte.
Ich schnitt ihm den größten Teil seiner Nase ab. Sauber abgetrennt fiel sie zu Boden.
Er kreischte.
Es klang fast so wie das Kreischen, das er Mary abgerungen hatte.
Er ließ die Tasche fallen, griff sich an den Nasenstumpf, aus dem das Blut hervorschoss, und brüllte .
Dieser Laut ließ mein Herz erzittern.
Ich floh wie ein Hase.
Es mag feige klingen, aber ich hatte genug. Daran war der Wutschrei schuld. Der Ripper hörte auf, ein verwundeter Mann zu sein und verwandelte sich in jenes Ungeheuer, das Mary in einen gesichtslosen, ausgeweideten Kadaver verwandelt hatte. Das sie gegessen hatte.
Und ich kann Ihnen ehrlich versichern, ich fühlte mich nicht gerade wie ein Feigling, als ich losrannte. Ich hatte meine Pflicht getan. Ich hatte die Frau vor dem Ripper gerettet und ihn auf eine Weise gezeichnet, die er nicht verbergen konnte.
Wenn mir die Flucht gelang und ich meine Geschichte erzählen konnte, würde Jack the Ripper entweder für alle Zeiten verschwinden oder im Kerker landen, wenn er das nächste Mal sein nasenloses Gesicht zeigte.
Ich hatte ihn weder getötet noch gefangen genommen.
Aber ich hatte seine Schreckensherrschaft beendet.
Wenigstens glaubte ich das.
Obwohl er mich verfolgte, nahm ich nicht an, dass er mich einholen würde. Schließlich war ich jung und schnell. Und ich war unverletzt.
Nach den Geräuschen hinter mir zu urteilen, hatte ich ihn jedoch noch nicht abgeschüttelt.
Als wir eine Laterne passierten, warf ich einen Blick zurück und sah, wie nahe er herangekommen war. In meinem Inneren zog sich alles zusammen. Er hatte den Hut verloren. Sein Mantel war offen, und die Schöße flatterten hinter ihm her. Das Gesicht und die Brust waren schwarz vor Blut.
Er sah wie die schlimmste aller Alptraumgestalten aus.
Ich rief um Hilfe. Nicht, dass ich die dazu nötige Luft gehabt hätte. Heraus kam nicht mehr als ein schwächliches Wimmern. Und es schien auch keinen Erfolg zu haben. Nach einer Weile gab ich es auf und verlegte meine ganze Energie darauf, den Vorsprung zu bewahren.
Ich stürmte Straßen und Gassen entlang. Ich jagte um Häuserecken. Hin und wieder stieß ich in der Dunkelheit gegen eine Wand. Ein paarmal stolperte ich sogar, konnte mich jedoch immer noch rechtzeitig aufrappeln und dem Tod entgehen.
Einige Male kamen wir an Passanten vorbei. Es war kein Konstabler darunter. Keiner versuchte zu helfen. Entweder ignorierten sie uns oder sprangen zur Seite und suchten in Hauseingängen Schutz.
Der blutrünstige Lynchmob war wohl zeitig zu Bett gegangen.
Eigentlich konnte ich gar nicht mehr laufen, aber ich blieb nicht stehen. Und der Ripper auch nicht. Die Verfolgungsjagd schien Stunden zu dauern. Natürlich war das nicht so, aber es kam mir so vor.
Und dann stürmte ich zwischen zwei Lagerhäusern oder Fabriken hindurch, und direkt vor mir erstreckte sich die Themse.
Ich lief darauf zu.
Der Ripper war ein guter Läufer, aber wie würde er sich im Wasser schlagen?
Weitere Kostenlose Bücher