Der Ripper - Roman
glotzte nur, sprachlos vor Überraschung und Dankbarkeit. Die Sonne kam hinter den Wolken hervor und tauchte ihr Gesicht in helles Licht. Sarah sah so schön aus, dass es mir fast das Herz brach.
So sehr ich mich nach der Heimat sehnte - die Vorstellung, Sarah plötzlich zu verlassen, erfüllte mich mit einem Gefühl der Einsamkeit.
Ich hatte sie begehrt, seit ich sie das erste Mal gesehen hatte. Und bei all dem, was seit der Beerdigung geschehen war, konnte ich den Gedanken, fortzugehen und sie nie mehr wiederzusehen, kaum ertragen.
»Würdest du mit mir kommen?«, fragte ich.
»Was würde wohl deine Mutter dazu sagen?«
»Sie hätte bestimmt nichts dagegen.«
Sarah schüttelte den Kopf. »Das ist eine schöne Vorstellung, aber … der Altersunterschied. Deine Mutter wäre entsetzt. Alle wären entsetzt.«
»Sie müssten doch nicht erfahren, dass wir mehr als Freunde sind.«
»Trevor, das würde nicht funktionieren.« Sie seufzte. »Es war nur ein Angebot. Es ist deine Entscheidung.«
»Ohne dich kann ich nicht gehen.«
Als ich das sagte, traten ihr Tränen in die Augen. Sie strich mir über die Wange und gab mir einen Kuss. »Eines Tages änderst du vielleicht deine Meinung.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Falls du je deine Ansicht ändern solltest, sag es mir. Dann kaufen wir dir die Fahrkarte. Nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr. Es könnte ja passieren, dass du meiner überdrüssig wirst.«
»Niemals.«
Kurz darauf erreichten wir die Stadt. Sarah ging zum Anwalt, und ich kaufte mir eine Zeitung. Als ich wieder zu unserer Kutsche kam, war Sarah noch nicht da. Also las ich die World , während ich auf sie wartete.
24
Massaker
Der Zeitungsartikel, der alles verändern sollte, stand nicht in der Ausgabe der World , die ich an jenem Nachmittag las.
Zunächst einmal lebten wir glücklich und zufrieden weiter. Die nächsten Wochen waren unglaublich. Morgens badeten wir gemeinsam, abends wurde getanzt. Den Rest des Tages nahmen wir unsere Mahlzeiten ein und hielten das Haus in Ordnung, arbeiteten auf dem Grundstück, kauften in der Stadt ein, unternahmen Ausritte und Picknicks und kamen zusammen, wann immer uns der Sinn danach stand. Selbst wenn wir uns nur unterhielten, war es wundervoll.
Aber eines Tages warf ich wieder einmal einen Blick in die Zeitung, als Sarah es sich mit einem Gedichtband von Elizabeth Barrett Browning bequem gemacht hatte.
Der folgende Artikel stach mir sofort ins Auge.
GRAUSAME MORDE ERSCHÜTTERN TOMBSTONE
Tombstone im Arizona-Territorium, ein Ort, der berüchtigt für seine schießwütigen Desperados und umherziehenden Apachen-Mordbanden ist, geriet am 22. April in helle Aufregung, als am frühen Morgen die entsetzlich zugerichteten Leichen von Alice Clemons (42) und ihrer beiden Töchter Emma (16) und Willa (18) in ihrem Zimmer in Mrs.
Adamsons Pension an der Toughnut Street aufgefunden wurden.
Dem Tombstone Epitaph zufolge sind die drei Frauen irgendwann während der Nacht einer oder mehreren unbekannten Personen zum Opfer gefallen. Sie wurden am folgenden Morgen um 9 Uhr von der Magd gefunden. Die Unglückliche fiel bei dem grässlichen Anblick sofort in Ohnmacht.
»Das Zimmer sah wie ein Schlachthaus aus«, sagte Dr. Samuel Wicker, der außerdem angab, dass alle drei Frauen auf schreckliche Weise verstümmelt und entleibt wurden. Deputy Marshal Frank Dunbar: »Ich habe einige Männer gesehen, die von den Apachen auf ähnliche Weise verstümmelt wurden, aber das hier waren Frauen. Wer das getan hat, ist schlicht und ergreifend ein Ungeheuer.«
Zusätzlich zu den zahllosen unaussprechlichen Verstümmelungen waren die drei Frauen skalpiert worden. Aber Deputy Dunbar glaubt nicht, dass Indianer die Tat begangen haben. »Das war ein Weißer. Er hat im Blut Stiefelabdrücke hinterlassen. Nur wenige Rothäute tragen Stiefel.«
Ob nun rot oder weiß, der gemeine Mörder ist noch nicht gefasst. Die Einwohner Tombstones, eigentlich an blutige Gewaltakte gewöhnt, sind erschüttert von diesem unvorstellbaren Verbrechen, das in ihrer Mitte verübt wurde.
Es war, als würde die Welt über mir zusammenstürzen. Ich saß wie betäubt da.
»Was ist?«, fragte Sarah.
»Whittle.«
Sarah schlug das Buch zu und beugte sich vor. »Was? Haben Sie ihn gefasst?«
Ich konnte nur den Kopf schütteln.
Sie legte das Buch beiseite, trat zu mir und nahm die Zeitung aus meinen zitternden Händen. Sie las im Stehen. Dann kniete sie vor mir nieder, ließ die Zeitung zu Boden
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