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Der Ripper - Roman

Der Ripper - Roman

Titel: Der Ripper - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Paso. Das würde uns nach Texas bringen, und dann mussten wir noch weiter nach Westen, bevor wir ins Arizona-Territorium und damit nach Tombstone gelangten.

    Selbst wenn sich Whittle dort noch aufhielt, was ich stark bezweifelte, würden wir erst eine Woche nach unserer Ankunft in Denver dort eintreffen. Also versuchte ich jeden Gedanken an ihn zu verdrängen und überließ mich stattdessen ganz den Eindrücken und Wundern des amerikanischen Westens.
    Ich sah viele Cowboys. Ich hielt regelrecht Ausschau nach ihnen und wurde ihres Anblicks nie müde. Hin und wieder ertappte ich mich bei dem Wunsch, jemand wie Jesse James sollte unseren Zug anhalten und überfallen. Allerdings war er vor sechs oder sieben Jahren von einem Hundsfott namens Bob Ford rücklings erschossen worden, deshalb war es unwahrscheinlich, dass wir auf die James-Bande stießen. Aber sicher gab es genügend andere Gesetzlose, die es mit uns aufnehmen würden, und in meiner Fantasie riss ich den Revolver des Generals aus der Reisetasche und lieferte ihnen ein erbittertes Gefecht.
    Und dann erspähte ich meinen ersten Indianer. Er saß an einem Bahnübergang auf einem Pony und sah einfach furchterregend aus. In seinem Stirnband steckten Federn, sein Gesicht war rot bemalt, und er trug eine blaue Armeejacke und eine Wildlederhose. Ich hatte jedes Buch über die Wilden verschlungen, das ich in die Finger bekommen hatte, und diese Lektüre und das, was mir der General über sie erzählt hatte, bewirkte, dass sich mir die Eingeweide vor Angst zusammenzogen. Ich war bereit, nach meinem Revolver zu greifen. Aber soweit ich sehen konnte, hatte der Indianer keine Waffe. Und der Zug fuhr so schnell, dass er eine Sekunde später bereits außer Sicht war.
    Danach bekam ich eine Menge Indianer zu sehen. Allerdings jagte mir keiner von ihnen solche Angst ein wie
der Erste. Einige von ihnen waren ziemlich alt, einige waren Squaws, andere Kinder. Die meisten von ihnen sahen ziemlich arm und mitleiderregend aus. Man konnte sie sich nur schwer auf dem Kriegspfad vorstellen, wie sie Siedler massakrierten, Skalps erbeuteten und Gefangene folterten.
    Nun, die Indianerkriege waren vorbei. Die Indianer waren besiegt. Zumindest hatte mir das der General zu verstehen gegeben. Wie ich später herausfinden sollte, entsprach das nicht ganz der Wahrheit, aber ich will meiner Geschichte nicht vorgreifen.
    Als wir in Denver einfuhren, hatte ich mich an den Anblick von Cowboys und Indianern gewöhnt. Ich fand sie bei weitem weniger aufregend als zu Anfang, trotzdem erfüllte es mich noch immer mit Begeisterung, jetzt im Westen zu sein.
    Wir verbrachten die Nacht in einem Hotel in der Nähe des Bahnhofs. Am nächsten Morgen bestiegen wir in aller Frühe den Zug nach El Paso, Texas.
    Bei jedem Zugwechsel lernten wir neue Mitreisende kennen. Wir unterhielten uns eine Weile mit ihnen, und Sarah erklärte allen, ich sei ihr Diener. Alles in allem waren es recht anständige Leute.
    Diesmal war einer der Mitreisenden in unserem Waggon ein Mann namens Elmont Briggs.
    Und damit nahm der Ärger seinen Anfang.

26
    Briggs
    Genau in dem Augenblick, in dem der Schaffner »Alles einsteigen!« brüllte, schritt Elmont Briggs den Mittelgang entlang. Er hatte einen Sitzplatz hinter uns im Auge, blieb aber sofort stehen, als sein Blick auf Sarah fiel.
    Sie hob den Kopf, um zu sehen, wer da stand.
    Einen Augenblick lang starrten sie einander an.
    Der Bursche war offensichtlich verblüfft und zugleich höchst erfreut, sie zu sehen. Er war etwa in Sarahs Alter, und sein Gesicht war so hübsch, dass es beinahe mädchenhaft wirkte. Er war glattrasiert, hatte rote Lippen, eine kleine Stupsnase, große blaue Augen und helle Brauen. Das wellige blonde Haar reichte ihm bis auf die Schultern. Es hätte sich in der Tat um ein Mädchen handeln können, obwohl seine Kleidung die eines Mannes war. Er trug auf Hochglanz polierte Stiefel, einen schwarzen Anzug und eine schmale, geknotete Krawatte. Es war kaum vorstellbar, dass sich eine Frau derart kleidete. Außerdem fehlte seiner Brust die nötige Wölbung. Dann sprach er, und seine tiefe Stimme beseitigte meine letzten Zweifel.
    »Libby Gordon!«, rief er aus. »Ich traue meinen Augen nicht!«
    »Entschuldigung?«, sagte Sarah.
    »Ich bin’s, Elmont Briggs.«
    »Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr.
Briggs«, sagte sie mit einem amüsierten Unterton. »Aber ich fürchte …«
    »Erinnern Sie sich nicht mehr an mich? Yale? Die Abschlussklasse von

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