Der Riss
nicht weitergab (meistens Beth) oder einfach nicht tat, was er tun sollte, weil ihm nicht danach war (typisch für Melissa). Und selbst wenn alle Midnighter beschlossen, zu tun, was sie tun sollten, dann gab es immer noch Cops oder Eltern oder Lehrer, um alles zu vermasseln.
Natürlich hatte Jonathan, trotz aller Zweifel, diese spezielle Möglichkeit nicht in Betracht gezogen.
„Moment mal“, sagte Dess, als sie durch den dunklen Bauch eines Gewirrs aus Unterführungen rasten, zwischen riesigen Betonsäulen hindurch, die zu beiden Seiten vorbeiflitzten. „Die Grayfoots wussten also tatsächlich, dass sich Angie mit Rex treffen würde?“
„Genau. Sie müssen ihr gefolgt sein oder so.“
„Dämliche Kuh.“
„Das ist das übliche Problem mit brillanten Plänen: weniger brillante Leute.“
Dess schüttelte den Kopf, als sie eine Auffahrt erklommen und wieder auf den Highway 75 schossen. „Puh. Und heute Nachmittag, als Rex uns gezwungen hat, Melissas Tank fast leer zu pumpen? Das war einfach nur Zeitverschwendung.“
„Wenn du mich fragst: Rex findet das inzwischen wahrscheinlich auch“, sagte Jonathan. „Wann müsste ihm das Benzin ausgehen?“
„Um genau elf Uhr siebenundvierzig und … halt, warte.
Wir sind doch zu früh.“
„Ungefähr zehn Minuten.“
Sie sah auf ihren GPS-Empfänger. „Sie sollten mitten in Saddleback zum Stehen kommen. Rex sah allerdings so aus, als ob er ein bisschen schneller fahren würde als geplant, was mehr Benzin verbraucht, vor allem in einem alten Klopfer wie Melissas Auto. Folglich … “
„Ziemlich bald, oder?“
„Stimmt. Circa elf Uhr vierzig. Es sei denn, die Mercedestypen haben Knarren und zerschießen ihm die Reifen.“
„Stimmt ja. Auch das noch.“ Jonathan fiel auf, dass er die Geschwindigkeit ein kleines bisschen verringert hatte, damit Dess nicht durch die Windschutzscheibe fliegen würde, falls ihnen eine Finsternis auflauerte. Je länger er aber darüber nachdachte, desto schlimmer fand er die Lage, in der sich Rex befand. Er trat fester aufs Gaspedal.
„Dess, falls du irgendwas Blaues über den Himmel huschen siehst, weißt du, was du zu tun hast, oder?“
„Ich nehme deine Hand. Kein Problem.“
Jonathan nickte. Wenn er seine Mitternachtsschwerelosigkeit mit jemandem teilte, würden sie ihren Schwung wahrscheinlich nicht in die blaue Zeit mit hinübernehmen. Vor zwei Wochen waren Jessica und Dess in der Wüste gegen ihre Sicherheitsgurte geknallt, als sein Wagen erstarrte, und Melissa wäre in ihrem fast umgekommen, aber Jonathan war nichts passiert.
Allerdings war bis jetzt niemand bescheuert genug gewesen, seine Theorie zu testen.
Dass er mit hundert Sachen dahinraste, war ein weiterer Grund, erleichtert zu sein, dass Melissa und Jess nicht bei ihm waren. Er hatte nur zwei Hände.
Sie schossen den Highway hinunter, vor ihnen leuchteten die Lichter von Bixbys Innenstadt, drum herum herrschte tiefe Dunkelheit.
„Kannst du irgendwas erkennen?“
Sie beugte sich vor und sah angestrengt durch die Windschutzscheibe auf die dunkle Straße vor ihnen. „So gut wie gar nichts. Der kleine Haufen Hecklichter da vorne – das könnten sie sein.“
„Und was sollen wir jetzt tun?“, fragte Jonathan. „Versuchen wir, sie einzuholen, und helfen Rex? Oder halten wir uns an den Plan, wenn wir die Bezirksgrenze überfahren haben, und fahren weiter, um Melissa und Jess aufzusammeln?“
„Mist, ich weiß auch nicht. Ich hasse diese Planerei.“
„Ich auch“, sagte Jonathan.
„Vielleicht sollten wir Rex weiterverfolgen. Dann können wir zuschlagen und ihn einsammeln, wenn ihm das Benzin ausgeht.“
Jonathan schluckte. „Ist dir klar, dass das verzwickter ist, als es sich anhört, Dess? Denk dran, du hast selbst gesagt, dass sie vielleicht bewaffnet sind.“
„Unbedingt. Wir können ihn aber nicht einfach hierlassen, wenn echte Grayfoots hinter ihm her sind. Wer weiß, was sie ihm antun werden.“
Dem konnte Jonathan nicht widersprechen. Melissas Wagen konnte die beiden Mercedes nicht abhängen, selbst wenn ihm nicht der Saft ausgehen würde. „Jessica könnte ich eigentlich auch abholen, wenn die Midnight da ist, und mit ihr zurückfliegen.“
„Was ist mit Melissa?“, warf Dess ein. „Wir werden sie brauchen, wenn wir in Angies Gedanken einsteigen wollen.
Willst du die wirklich auch bei der Hand nehmen?“
Kalte Finger krochen Jonathan bei dem Gedanken den Rücken entlang. Er hatte Melissa bisher genau einmal berührt, bei
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