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Der Riss

Der Riss

Titel: Der Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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betrachtete und sagte: „He, du hast recht. War mir noch gar nicht aufgefallen.“
    Dann drehte er sich lächelnd zu ihnen um.

    Dess seufzte erleichtert. Das war seit Tagen der erste Witz von ihm. Mit seiner wirren Morgenfrisur sah er menschlicher aus als üblich. Vielleicht hatte die Wirkung der von Maddy in seinem Hirn entfesselten Darklinge ein wenig nachgelassen.
    „Wie hast du deine Mom dazu gebracht, dass sie ihn dir leiht?“, fragte sie. Seit dem Unfall seines Vaters tauchte Rex’
    Mutter nur selten in Bixby auf. Dess konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihrem Sohn die Schlüssel für eine morgendliche Ausflugsfahrt dagelassen hatte.
    „Sie ist vorgestern Nacht zu Besuch erschienen“, sagte Rex.
    „Und ich hatte die Idee, ihr das Kabel vom Anlasser rauszuziehen.“
    Dess machte große Augen. „Wie bitte?“
    „War ganz leicht. Ich bin rausgeschlichen, als sie auf der Toilette war, und hab das Kabel abgemacht.“ Rex setzte sein neues böses Lächeln auf. „Sie war in Eile, unterwegs zu irgendwem, wie üblich, also rief ich ihr ein Taxi. Sie hat schon einen anderen Caddy gemietet, also ist dieser hier meiner, bis ich ihr sage, dass er wieder in Ordnung ist.“
    Dess tauschte einen Blick mit Jonathan, und sie sah, dass sogar Jessica wach genug geworden war, um sich beeindrucken zu lassen.
    „Rex“, sagte Dess. „Das ist total kaltblütig.“
    „Stimmt.“ Er nickte. „Ich brauchte aber ein Auto. Es gibt wichtige Dinge, um die wir uns kümmern müssen.“
    „Zum Beispiel uns alle samstagmorgens um halb sieben aus dem Bett zu schmeißen?“, fragte Flyboy.
    „Ganz genau.“ Rex sah auf seine Uhr. „Mir nach.“

    Er führte sie über den Acker auf den Riss zu, und Dess war froh, dass sie ein Kleid angezogen hatte, das ihr nur bis ans Knie reichte. Um diese Zeit am Morgen war das hohe Gras reichlich feucht, und ihre Turnschuhe waren in Windeseile durchgeweicht, als ob sie durch eine Autowaschanlage geschlendert wäre.
    Während sie liefen, erklomm die Sonne die Baumlinie in der Ferne und bohrte mit ihrem leuchtenden Auge endlich ein Loch in die Kälte vor Sonnenaufgang.
    „Du weißt hoffentlich, was du tust, Rex.“
    „Keine Sorge, Dess“, antwortete er. „Ich denke, das wird dich interessieren.“
    „Morgens um sechs Uhr dreißig gebe ich mich mit
    ,interessant‘ nicht zufrieden, Rex.“
    „Ich bin sicher, dass Jessica uns nicht enttäuschen wird.“
    Dess sah Jessica an, die nur mit einem Schulterzucken antwortete.
    Plötzlich fiel Dess auf, dass Melissa nicht mit ihnen gegangen war. „He, wo ist die göttliche Hure? Die hat sich doch nicht im Caddy auf dem Rücksitz schlafen gelegt, oder?“
    Rex schüttelte den Kopf. „Sie wird in … zwei Minuten hier sein.“
    „Super. Schon wieder ein Timing auf die Sekunde.“ Dess seufzte. „Hoffentlich klappt es diesmal besser als bei deinem letzten Plan.“
    „Da ist nur eine Sache, Leute“, sagte Jessica nervös. „Cassie Flinders wohnt direkt da drüben. Was ist, wenn sie uns sieht?“
    „Sie wird sich nicht an uns erinnern.“
    „Bist du dir da sicher?“
    Rex zog eine Augenbraue hoch. „Warum sollte sie?“
    Jessica blickte mit einem unglücklichen Gesicht zu dem Wohnwagen der Flinders hinüber. „Also, eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, darüber zu reden, aber meine Schwester und sie haben sich … angefreundet. Ich hatte Angst, euch davon zu erzählen, falls … “ Ihr fehlten die Worte.
    Falls die göttliche Hure beschließen sollte, das Hirn deiner kleinen Schwester in zwei Hälften zu zerteilen, dachte Dess.
    Sie sah Rex an und fragte sich, ob er vorhatte, eine seiner Psychotransformationen hinzulegen. Nach einer Pause zuckte er aber nur mit den Schultern. „In Kürze werden alle über die blaue Zeit Bescheid wissen, Jessica. Es ist egal.“
    „Puh“, sagte Jessica und sah verblüfft aus. „Da bin ich aber erleichtert.“
    Flyboy legte seinen Arm um sie, lächelnd, aber Dess lief bei der Vorstellung, dass Rex die Geheimhaltung egal sein könnte, ein Schauer über den Rücken. Als sie sich umdrehte, um den Riss in Augenschein zu nehmen, sackte die Erkenntnis, was Samhain alles verändern würde, noch ein Stück tiefer.
    Der Riss glühte hier in der normalen Zeit nicht rot, Dess konnte aber an der Farbe des Grases seine derzeitige Form erkennen, als ob die Kontorsion ein riesiges Stück Rasenanlage wäre. Vielleicht wandelte der dunkle Mond das Chlorophyll um oder so ähnlich. Sie prägte sich die Umrisse ein: ein

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