Der Riss
Wir mussten sichergehen, dass an Samhain, wenn die Midnight eintrifft, nicht alle umkommen, die zufällig in einem Auto sitzen. Womit wir eine Sorge weniger haben.“
Für kurze Zeit herrschte Schweigen, und Dess fiel auf, dass sie daran gar nicht gedacht hatte. Wenn sich der Riss wirklich so sehr ausweiten würde, dass er Millionen Menschen schlucken könnte, und von denen nur ein Prozent um Mitternacht fuhr, dann waren das zehntausend Melissas, die alle auf einmal durch die Windschutzscheiben flogen.
Sie schluckte. Diese Sache wurde einfach immer heftiger, je länger sie darüber nachdachte.
„Autos sind also kein Problem“, sagte Flyboy und stieß sich vom Boden ab. „Aber was ist mit Flugzeugen?“
Rex dachte kurz nach. „Kleine Flugzeuge können notlanden. Aber bei den großen Verkehrsflugzeugen wird es schwierig.“
„Wir könnten an Halloween an alle Flughäfen Bombendrohungen durchtelefonieren“, schlug Jonathan aus der Luft vor.
„ Bomben drohungen?“, rief Jessica aus. „Moment mal, Rex.
Warum reden wir überhaupt über all das? Hast du nicht gesagt, wir würden versuchen, Samhain zu verhindern? Ich dachte, es ginge darum, dafür zu sorgen, dass halb Oklahoma nicht von der blauen Zeit geschluckt wird.“
Rex holte tief Luft, dann schüttelte er den Kopf. „Wir können zu verhindern versuchen, was passieren wird – die schlimmsten Unfälle, einen Teil der Panik. Wir können die meisten unnötigen Todesfälle verhindern.“
„Die ,unnötigen‘ Todesfälle, Rex?“, sagte Dess. „Willst du behaupten, dass einige Todesfälle nötig sind?“
Er fixierte sie mit kaltem Blick. „Die Raubtiere kehren zurück, Dess. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir nicht jeden retten können.“
Sie erwiderte seinen Blick. Dieser neue, darklinginfizierte Rex schien sich überhaupt nichts daraus zu machen, das Undenkbare zu denken. Der alte Rex wäre bei der Vorstellung eines Todesfalls entsetzt gewesen, und dieser hier, der redete über tausende wie über die Bixby Tigers, wenn sie gerade mal wieder verloren hatten.
„Wir können uns nur an die alten Traditionen halten“, sagte Melissa. Sie lehnte an Rex’ Seite.
„Und das wäre?“, fragte Dess. „Uns verkleiden?“
„Nur zu“, sagte Rex. „Aber an diese Tradition hatte ich nicht gedacht. Wir müssen Leute zusammenbringen und ihnen beibringen, sich selbst zu verteidigen. In der Zwischenzeit müssen wir die Darklinge so lange wie möglich aufhalten.“ Er sah Jessica an. „Das ist vielleicht der Grund, weshalb du hier bist.“
„Weshalb ich wo bin?“, fragte Jessica.
Rex’ Augen wurden schmaler. „Hier in Bixby, Jessica. Hier auf der Erde. Du bist schließlich der Flammenbringer, und wir werden ein richtig großes Freudenfeuer brauchen.“
Rex hatte drei Experimente für den Riss mitgebracht.
Als Erstes ließ er Jessica eine Kerze anzünden und sich dann entfernen. Normalerweise wäre die Kerze ausgegangen, sobald Jessica ihre Hand wegnahm – ohne den Flammenbringer gab es kein Feuer in der blauen Zeit.
Doch als Jessica von der Kerze zurücktrat, erst nur ein kleines Stück, dann weiter, dann schließlich bis zur anderen Seite der rot glühenden Grenze, brannte die Kerze weiter. Ihre Augen weiteten sich. Der Riss funktionierte tatsächlich nach anderen Regeln. Wie der pinkfarbene Cadillac weitergerollt war, würde das Feuer weiterbrennen, wenn es erst in Gang war.
„Diesen Preis müssen die Darklinge zahlen, wenn sie die blaue Zeit schwächer machen“, sagte Rex. „Wenn normale Leute durch den Riss schlüpfen können, dann geht das auch mit Flammen.“
„Also kann jeder ein Feuer anzünden?“, fragte Dess.
„Das bezweifle ich.“ Rex versuchte ein paar Mal, sein Feuerzeug zu zünden. Es produzierte keinen einzigen Funken.
Wenn er aber den Hebel herunterdrückte und das Gasventil an die Kerze hielt, dann brannte es. Er lächelte und hielt die kleine, aber blendend helle Flamme hoch. „Wenn Jessica es einmal angezündet hat, kann sich ein Feuer selbst ausbreiten.
Leute können es weiterreichen.“
„Mensch, Jess“, sagte Jonathan. „Probier mal, ob deine Taschenlampe genauso funktioniert.“
Jessica wartete, bis sie alle ihre Augen bedeckt hatten, dann flüsterte sie den Namen von Bunsenbrenner und schaltete ihn ein. Dess, die zwischen ihren Fingern hindurchspähte, sah den weißen Strahl, der wie ein blendender Keil durch die blaue Zeit fuhr.
Als Jess sie aber auf die Schienen legte und zurücktrat, flackerte
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