Der Ritter von Rosecliff
entgegen.
Normalerweise hatte sie Angst vor dem Barden. Er war ihr unheimlich, weil er Dinge sagte, die sie nicht verstehen konnte. Doch jetzt freute sie sich über die unerwartete Gesellschaft. Dicht vor ihr blieb Newlin stehen und streckte ihr wieder den Sack entgegen.
»Ist der für mich?«, fragte Rhonwen verwirrt.
»Du hast bestimmt Hunger, und ich habe genug Essen für zwei Personen.«
»Wie bist du ... « Sie schaute sich misstrauisch um. »Bist du allein?«
Trotz seines runzligen Gesichts hatte er das süße Lächeln eines unschuldigen Kindes. »Jetzt nicht mehr. Mach dir keine Sorgen, Mädchen. Nimm und iss. Es gibt Brot Käse und getrockneten Fisch.«
Rhonwen, hatte plötzlich Tränen in den Augen. »Danke. Vielen Dank.«
Er beobachtete sie schweigend, während sie sich heißhungrig alles einverleibte, was er mitgebracht hatte. Erst als sie fertig war, sagte er bedächtig: »An den heutigen Tag werden sich die Menschen noch sehr lange erinnern.«
»Doch nicht etwa, weil ich den Engländern entkommen bin?« Dann kam ihr ein schrecklicher Gedanke. »Wird es eine Schlacht geben? Ist dies der Tag, an dem Jasper und Rhys ihre Schwerter kreuzen werden? Bitte, sag, dass es nicht so ist!«
Newlins Augen schauten meistens in zwei verschiedene Richtungen. Auch jetzt sah er Rhonwen nur mit einem Auge an, während das andere in die Ferne blickte. »Diese unsere Welt ist riesig. Sie erstreckt sich weit über die winzigen Kreise unserer Leben hinaus.«
Rhonwen runzelte angestrengt die Stirn. Was hatten diese rätselhaften Worte zu bedeuten? Sie besaß sehr wenig Erfahrung darin, die mysteriösen Botschaften des alten Barden zu entschlüsseln, denn sie hatte sich nur selten mit ihm unterhalten. Aber sie wusste, dass er der weiseste Mann in diesen Hügeln war und dass seine Prophezeiungen sich meistens als wahr erwiesen. »Bitte sag mir, was heute geschehen wird! Du musst mir helfen. «
»Bei deiner Flucht? Die ist dir bis jetzt allein recht gut gelungen.«
»Nein, nein!« Rhonwen schüttelte wild den Kopf. »Ich muss wissen ... Ich will nicht dass sie verletzt werden. Keiner von beiden. «
»Du sprichst von dem jungen Lord ... «
»Ja, Jasper Fitz Hugh ... «
»Und von deinem Freund Rhys?«
»Ja, und ... « Sie verstummte, als der Barde sie ausnahmsweise mit beiden Augen beobachtete.
»Es ist nicht leicht einen Feind zu lieben.«
Rhonwen öffnete den Mund, um zu behaupten, dass sie Jasper nicht liebe, doch sie brachte diese Lüge nicht über die Lippen. Außerdem wäre es sinnlos gewesen, den Seher belügen zu wollen. Im Grunde war sie sogar erleichtert ihre wahren Gefühle nicht verheimlichen zu müssen.
Newlin lächelte wieder, weder arrogant noch spöttisch. Dann beschrieb er mit seinem verkrüppelten Arm einen weiten Bogen in der Luft. .»Lausche! Schau dich um! «
Rhonwen konzentrierte sich und begriff bald, was der Barde meinte. Die Tiere waren viel zu aufgeregt: ein Hase hoppelte in ihrer Nähe vorbei, drei Zaunkönige schwirrten über die Lichtung hinweg und verschwanden zwischen hohen Tannen, zwei Füchse huschten in ihren Bau, ein Reh mit seinem kleinen Kitz brach aus einem Dickicht hervor und suchte Zuflucht in einem anderen. ja, etwas stimmte heute nicht im Wald! Sogar die Bäume schienen das zu spüren, denn sie bewegten ihre Äste, obwohl es fast windstill war.
Rhonwen schaute zum Himmel empor, doch die Wolken sahen harmlos aus. Ein Unwetter stand allem Anschein nach nicht bevor. Warum verhielten die Tiere sich trotzdem so seltsam? Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Predigten die Priester nicht oft über den Jüngsten Tag, an dem die Sünder ins Höllenfeuer geschleudert wurden, während gute Menschen ins Paradies Einlass fanden.
»Ist es das Ende der Welt?«, fragte sie ängstlich.
»Manche werden es so nennen«, antwortete Newlin nach kurzem Schweigen. »Das Ende der Welt die sie gekannt haben. Aber nicht jenes Ende der Welt vor dem du dich fürchtest.«
»Aber ... aber«, stammelte Rhonwen verstört »Das Ende der Welt ist doch ... nun ja, es ist das Ende der Welt ... «
Der Barde hob sein -Gesicht zum Himmel empor und wiegte sich vor und zurück. »Wenn Steine wachsen wie sonst nur Bäume, wenn der Mittag schwarz ist wie die Nacht ... «
Rhonwen schnappte entsetzt nach Luft. Jedes walisische Kind kannte das alte Wiegenlied mit den drei Prophezeiungen, was sich ereignen musste, bevor Wales erobert wurde.
»Ist heute der Tag, an dem Cymru fällt?«, bedrängte sie den
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