Der Roman eines Konträrsexuellen
zuzuwerfen: für den Moment war unserer tollen Lust die Scham gefolgt, die frische Morgenluft hatte uns vollständig ernüchtert. Den ganzen Vormittag über wechselten wir nur wenige Worte miteinander, doch am Abend, sobald wir im Bett lagen und uns allein in der tiefen Dunkelheit befanden, erfaßte mich das Verlangen von neuem, ich hielt den Atem an, erhob mich und suchte ihn auf. Er war noch wach und erwartete mich, wie er sagte.
*Diese Nacht der Leidenschaft kosteten wir in voller Länge aus, und ich glaube, daß niemand verliebter und leidenschaftlicher sein kann, als wir es waren. Wir wurden von Wonneschauern geschüttelt, waren wie von Sinnen, und meine Liebkosungen weckten in ihm solche Lust, daß er sogar meinen Fuß nahm und wie wild küßte.*
In dieser Nacht schwand auch der letzte Rest von Zurückhaltung, und von da an verbrachten wir fast alle Nächte gemeinsam in einem Bett, um uns zu umarmen und zu liebkosen. »Was für hübsche Wangen du hast«, sagte er zu mir, »sie sind weicher als die der Frauen, und Füße hast du, die man für die eines Kindes halten könnte.« Diese Reden erfüllten mich mit Freude; ich wünschte nicht mehr, Weib zu sein, denn ich fand diese schreckliche Leidenschaft genußreicher und amüsanter und dem überlegen, was die bekannte Liebe bieten konnte, die mich überhaupt nicht reizte.
Ich faßte eine solche Zuneigung zu diesem schönen jungen Mann, daß ich ihn bald mehr liebte als alles auf der Welt und nur noch für ihn Gedanken hatte. Ich wollte ihn schön und gut gekleidet sehen; ich ließ ihm eine schöne Uniform auf meine Kosten machen und wollte ihn, wie gesagt, hübsch parfümiert und schön gekleidet sehen. An Geld fehlte es mir nie, und ich gab es für ihn mit vollen Händen und ohne Bedauern aus. Zuerst wollte er nichts von mir annehmen, doch bald drängte ich ihn anzunehmen, was ich ihm gab. Er verlangte nie etwas, doch ich wußte, wessen er bedurfte, und verstand es, allen seinen Wünschen zuvorzukommen. Ich wünschte, er solle mit uns essen, doch er wollte nicht, um meinen Kameraden nicht lästig zu fallen und damit nicht irgendein Schlaukopf unsere allzu große Freundschaft erraten könnte. Ich mied meine Kameraden soviel als möglich und suchte Vorwände, mich von Ihnen fernzuhalten und an ihren Amüsements nicht teilzunehmen. Ich hielt mich von ihnen fern, während sie spazieren oder ins Theater gingen; ich schloß mich in das möblierte Zimmer ein, das ich in der Stadt gemietet hatte und wo mich mein Freund vor allem sonntags und an den Festtagen aufsuchte. Dort fanden feine Diners und hübsche Soupers zu zweien statt, und fast alle endeten in derselben Weise.
Der Gedanke an meinen Freund hielt mich unaufhörlich gefangen und verließ mich nie; ich hätte ihm alles geopfert. Und doch erfreuten wir uns aneinander in der unschuldigsten Weise, das heißt in der am wenigsten verbrecherischen Weise.
Er war nicht an die feinen Parfüms und wohlriechenden Wasser gewöhnt, in die ich mich tauchte; und obwohl er sehr reinlich war, verstand er sich doch nicht auf Raffinements dieser Art, die ihn nichtsdestoweniger entzückten. Nach der Mode trug ich Nachthemden aus Seide, die schön dufteten und sich weich anfühlten. Das starke Essen und die guten Weine, mit denen ich ihn ernährte, wirkten ebenfalls mächtig auf diese Natur, die sich nicht auf das raffinierte und sanfte Leben verstand, dessen ganzes Behagen aber deutlich fühlte.
*Wenn er mich in meinem Zimmer aufsuchte, fand er mich meistens im Bett. Er küßte mich und sagte dabei: »Gott, was für eine hübsche Frau wärest du! Aber gleichviel, du bist ja meine kleine Frau!« Und Liebesgeflüster erfüllte den dunklen Raum, unablässige Liebkosungen, glühende Küsse auf dem großen Bett, das mit einem weichen, weißen Tuch bedeckt war, das ich von zu Hause mitgebracht hatte. Es war so ganz anders als das graue und harte Bettuch der Soldaten.
Ein besonders großes Vergnügen bereitete es uns, wenn wir sonntags und an Feiertagen die warmen Bäder dieser lieblichen Stadt aufsuchten. In einem Raum standen zwei Wannen, deren Wasser wir mit Duftstoffen parfümierten. Oft saßen wir zu zweit in einer Wanne und blieben dort lange Zeit, in dem warmen Wasser eng umschlungen.*
Mein Freund hatte sich so an mich gewöhnt, daß er mich ebensowenig entbehren konnte wie ich ihn. Er war niemals so geliebt worden und hatte noch nie all die Freuden genossen, die ich ihm bot. Wir machten sogar Ausflüge im Wagen in die
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