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Der Roman eines Konträrsexuellen

Der Roman eines Konträrsexuellen

Titel: Der Roman eines Konträrsexuellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Freund war mit von der Partie. Alle hatten wir getrunken, und zwar viel. Bei der Rückkehr ins Quartier wurden mehrere von uns schrecklich krank. Die Soldaten schliefen nicht mehr mit uns zusammen, sondern in einem Saal nebenan. Unsere 8 oder 10 Betten verloren sich in dem riesigen, dunklen Raum, der nur von einer ganz kleinen Lampe erleuchtet wurde, die mitten in der Nacht erlosch.
    Wir waren mehr oder weniger erregt und tollten bis in die tiefe Nacht herum. Auch der Quartiermeister, der in einem kleinen Nebenzimmer schlief, war sternhagelbetrunken und schnarchte fürchterlich. Mein Bett stand in dem dunkelsten Winkel, dem des jungen Unteroffiziers gegenüber, der sich ebenfalls infolge des starken Weines, den er getrunken hatte und an den er aus vielen Gründen nicht gewöhnt war, in fröhlicher Stimmung befand. Meine Kameraden schliefen schon, als wir immer noch nicht ausgekleidet waren. Endlich entschloß ich mich, zog meine Uniform aus, schlüpfte in mein Batisthemd und huschte in mein Bett, auf das ich meinen jungen Freund sich hatte setzen lassen. Voller Erregung und berauscht vom Wein und vom Lärm, den wir gemacht hatten, überschüttete ich ihn wie zum Spaß mit den zärtlichsten Liebkosungen und schmeichelhaftesten Worten. Ich lag halb in den Kissen, das wir in unserem Bett behalten durften. Er war halb ausgezogen *und saß auf meinem Schoß, an mich gelehnt.* Ich sprach wie im Entzücken zu ihm, wie in einem Halbrausch, verursacht durch die Müdigkeit und die Wärme des Bettes, als er sich ganz zu mir herabbeugte, *mich mit seinen beiden Armen umschlang und mein Gesicht mit Küssen bedeckte; gleichzeitig steckte er die Hände unter die Decke und ergriff mit beiden Händen mein Fleisch.* Ich fühlte mich dem Tode nahe, und zugleich erfaßte mich plötzlich eine ungeheure Freude. *So blieben wir einige Zeit in der Wärme des Bettes, den Kopf aneinander gelehnt, mit flammenden Wangen, mein Mund auf seinem.* Nie war ich so glücklich.
    Die auf der Erde stehende Lampe gab nur ein verschwommenes Licht ab in dem riesigen Schlafsaal, in dem in weit entfernt stehenden Betten meine Kameraden schliefen, und ließ den Winkel, in dem wir uns in unserer Verzückung befanden, in tiefster Dunkelheit.
    Dennoch hatte ich Furcht, es könnte uns jemand sehen, und da ich mich der Hingabe meines Freundes vollkommen zu erfreuen wünschte, gab ich ihm einen Kuß und flüsterte ihm ins Ohr: »Lösch die Lampe aus und komm zurück, aber schnell!« Er erhob sich zitternd und trank aus dem Krug, der neben der Lampe auf der Erde stand; sachte löschte er das kleine Flämmchen aus, das schon von selbst erstarb. Der Schlafsaal wurde nur noch von der Lampe des Nebensaales erleuchtet, das heißt, man sah wohl ein wenig in der Mitte des Saales, doch alles übrige war in tiefstes Dunkel getaucht.
    Ich sah im Halbdunkel, wie er zu seinem Bett zurückkehrte, das meinem gegenüberstand. Ich hörte, wie er sich sehr schnell entkleidete und, seinen Atem anhaltend, wieder zu mir zurückkehrte. *Diese wenigen Sekunden erschienen mir wie eine Ewigkeit, und als ich spürte, wie er neben mich in die Bettwärme huschte, umschlang ich ihn, streichelte ihn und küßte ihn voller Glut, schrie fast vor Freude und Verlangen. Er erwies sich als leidenschaftlicher Liebhaber, in unserer Nacktheit bildeten wir schnell einen einzigen Körper, hielten uns engstens umschlungen. Niemals hätte ich geglaubt, daß man solche Wonnen genießen kann. Unsere Lippen vereinigten sich in unseren Mündern, wir hielten uns so fest, daß wir kaum atmen konnten. Mit meinen Händen fuhr ich über diesen schönen und so heftig ersehnten Körper, über diesen hübschen, männlichen Kopf, der so ganz anders war als meiner. Schließlich fanden unsere Wonnen ein Ende, und was uns am meisten erfreute, war, daß wir zur gleichen Zeit den Höhepunkt erreichten. Lange blieben wir umschlungen liegen, sagten uns einander Schmeicheleien und süße Worte. »Ich habe nie ein solches Vergnügen bei einer Frau gefunden«, sagte er mir, »ihre Küsse und Liebkosungen sind nicht so heiß und leidenschaftlich«.* Diese Worte erfüllten mich mit Freude und Stolz! Endlich hielt ich ihn also in meinen Armen, diesen so heiß ersehnten Mann, und was für einen netten Mann! Jede Frau würde mich darum beneiden.
    Endlich trennten wir uns mit dem Versprechen, uns immer zu lieben und möglichst immer zusammenzubleiben.
    Am nächsten Morgen, als wir aufstanden, wagten wir nicht, uns einen Blick

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