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Der Roman eines Konträrsexuellen

Der Roman eines Konträrsexuellen

Titel: Der Roman eines Konträrsexuellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Ungarn aufgehalten. Obgleich von niederer Herkunft, verkehrte er doch in den besten Kreisen. Die Damen konnten ihn nicht leiden wegen der geringen Achtung, die er ihnen in seinen Reden und Bewegungen bewies; die Männer, namentlich die Sportler, empfingen ihn mit offenen Armen.
    Er besuchte uns manchmal, gab aber zu Anfang kaum acht auf mich. Dennoch fühlte ich mich zu ihm hingezogen und bezeigte ihm viel Sympathie. Er war ein sonnenverbrannter Mann von ungeheurer Größe, von einem Körperbau, der unzerstörbar schien; nur die Muskeln traten hervor, die die Stelle des Fleisches einnahmen, das nicht zu existieren schien. Er war für mich der Typus des alten Haudegen in einem Panzer aus Eisen, und ich habe ihn nie ansehen können, ohne an eine der Gestalten in »Ivanhoe« zu denken. Sein Kopf war prächtig, mager, braun wie der eines Mulatten, mit einer großen, krummen Nase, die leicht nach links geneigt war; seine schwarzen, eingesunkenen Augen schimmerten in seltsamem Glänze; sein langer, schwarzer Schnurrbart ließ einen breiten, spöttischen Mund mit dicken, braunen Lippen und starken, weißen Zähnen sehen. Der riesige Kopf war fast vollständig kahl und nur hinten und an der Seite von einem schwarzen, struppigen Haarkranz bedeckt. Seine Hände standen im Einklang mit seiner Person, die Stimme war rauh und tief, die ganze Gestalt athletisch; seine Kraft herkulisch. Mit seinen beiden Händen zerbrach er ein Hufeisen. Er hatte eine Art, die Leute anzusehen, daß man die Augen zu Boden schlug; auch schonte er niemand.
    Mir gegenüber erlaubte er sich die größten Vertraulichkeiten, kraulte mich am Kinn, und wenn er mir auf dem Korridor begegnete oder ich ihn zur Tür begleitete, kniff er mich oder streichelte mich lange, selbst in Gegenwart meines Vaters, der darin nichts Böses sah.
    Wie ich Ihnen bereits sagte, kannte ich damals alles nur vom Hörensagen; ich zitterte vor Verlangen, endlich selbst etwas kennenzulernen, und mein Blut geriet in Wallung, wenn dieser Mann mich berührte. Eines Tages, als er meinem Vater von den Wunden sprach, die er im Kriege erhalten hatte, wollte er uns eine Narbe zeigen, die er am Schenkel hatte und für die er sich gerächt hatte, indem er dem deutschen Soldaten, der sie ihm beigebracht hatte, den Schädel spaltete. Er knöpfte seine Hose auf und zeigte uns zu meiner großen Freude ein riesiges, bronzefarben leuchtendes Bein voll schwarzer, harter Haare, das von einer breiten, rosigen Schmarre durchschnitten wurde, die mir inmitten des dunklen Fleisches und der sie umrahmenden braunen Haare sehr hübsch erschien. Ich versuchte mehr zu sehen von dem, was er unter dem Hemd verbarg, sah aber nichts als das dichte, schwarze Gestrüpp, das mich heftig verwirrte.
    Ich fühlte keine Zuneigung zu diesem Mann, doch er erschien mir so männlich, daß ich lebhaft wünschte, ihm anzugehören, und wenn es auch nur für einige Augenblicke wäre. Wenn er mich nach jenem Tage ansah, wurde ich davon immer sehr aufgeregt; ich errötete, und wenn er mich berührte, zitterte ich vor Lust. Noch heute, da ich diese Zeilen schreibe, fühle ich dieses Gefühl wieder in mir erwachen, das ich gern ersticken möchte, und ich fühle, wenn er in diesem Augenblick hier wäre, würde ich mich ihm hingeben.
    Als ein an solche Abenteuer gewöhnter Mann erkannte er, welchen Vorteil er aus meiner schönen Jugend und aus dem Zauber eines als Junge verkleideten Mädchens, das ich ja eigentlich war, ziehen konnte. Er lud mich ein, mir Pferde anzusehen, die in seinem Stalle standen und die, wie ich glaube, nach einem fremden Lande verschickt werden sollten. Ich ging dorthin, erfüllt von dem Wunsch nach einem Abenteuer, durch das ich endlich etwas erfahren und mich meiner Neigung überlassen könnte, die, noch niemals befriedigt, ungeheuren Umfang angenommen hatte und mir keine Ruhe mehr ließ. Nach der Besichtigung der Pferde, die ich sehr bewunderte, obwohl ich nichts davon verstand, ließ er mich in seine Wohnung hinaufsteigen, die aus einem Salon, einem Schlafzimmer und einem Ankleidezimmer bestand. Sein Bursche besorgte den Dienst und eine alte Zugehfrau half ihm.
    Als ich in das rauchige, nach Stall und Zigarren duftende Zimmer trat, in welchem alles herumlag, war ich wie benommen. Das Verlangen hatte mich in so heftige Aufregung versetzt, daß ich fast erstickte und fühlte, wie mir die Beine erstarrten. Ich habe jetzt noch häufig dieses gleichzeitig grausame und köstliche Gefühl.
    Er ließ mich auf einem

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