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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hypernephrom in einer Woche heraus.«
    »Aber warum denn? Haben Sie Angst?«
    »Ja«, flüsterte Czernik ehrlich.
    »Sie mißtrauen mir?«
    »Sie kennen die Komplikationen. Von hier aus eine Niere anzugehen – das ist irgendwie wie eine Versuchung Gottes und eine Herausforderung.«
    Bergh richtete sich auf. Brigitte hatte sich weit vorgebeugt. Er sah in den tiefen Ausschnitt ihres Kleides, sah den weißen Ansatz ihrer Brust. Baron v. Boltenstern neben ihr lächelte mokant. Na also, mochte er denken. Wer hat recht behalten? Alle sind sie Nichtskönner. Alle, die da in den langen weißen Mänteln stehen, vermummt wie Marsmenschen. Wo bleibt das Geheimnisvolle, wo seht ihr das Genie, was beweist denn das Können, das ihnen den Nimbus der ›weißen Helden‹ verschafft hat? Wo denn? Sie stehen da herum, hilflos, leise redend, verwirrt wie ein gejagtes Rudel Rehe. Seht sie euch doch an! Das sind Ärzte, zu denen ihr Vertrauen haben sollt!
    Mit wilder Entschlossenheit senkte Bergh die Schere in die große Bauchwunde. Czernik und Werth hielten die großen gebogenen Mikuliczklemmen bereit, mit denen das geöffnete Bauchfell angeklemmt wurde.
    Bergh machte sich keine Illusionen mehr. War die Herausnahme eines Bauchtumors eine Routineoperation, die er mit der Gelassenheit eines erfahrenen Chirurgen gemacht hätte und der er deshalb mit einer Ruhe gegenüberstand, die niemand verstanden hatte, so sah er sich jetzt in eine Lage gedrängt, die nicht nur das wirkliche Können abverlangte, sondern tatsächlich die Hand eines genialen Operateurs.
    Eine Nephrektomie, präperitoneal angehend, gehört zu den technisch schwierigsten Eingriffen, die man in der Chirurgie kennt.
    Langsam, vorsichtig, millimeterweise sich vortastend, mit einem Fingerspitzengefühl, wie es Czernik noch nie gesehen hatte, arbeitete sich Bergh in die Tiefe und zur Niere durch. Er ließ weder Czernik noch Werth an die Wunde heran – er degradierte die Assistenten zu Handlangern, zu zuschauenden Famulis, zu Statisten, die kaum glaubten, was sie sahen, und die doch erlebten, was sie selbst nie gewagt hätten.
    Bergh band die Harnleiter ab. Er ligierte die Gefäße. Dann ging er daran, zunächst die wichtige Stielversorgung zu machen. Mit der Kochersonde umging er die Gefäße, zog mit einem Fadenführer einen starken Faden um die beiden großen Gefäße und knüpfte sie mit einem sicheren Knoten weit zentral ab. Dabei sah er, daß der Nierenstiel in dicken Schwielen eingebettet war, Verwachsungen hinderten eine völlige Blutabsperrung – Folgen einiger Nierenbeckenentzündungen und schlecht behandelter Nierenvereiterungen.
    »Stielklemme!« sagte Bergh laut. Schwester Cäcilia reichte sie, Dr. Werth wollte sie setzen, aber Bergh riß sie ihm aus der Hand und winkte, den Scheinwerfer genauer in die Tiefe einzustellen. Dann klemmte er die Gefäße ab, stieß die Hand nach rückwärts und winkte mit den Fingern.
    Schere! hieß das. Wo bleibt die Schere? Eine OP-Schwester muß vorahnen, was gebraucht wird!
    »Schneller!« zischte Bergh. »Denken Sie bitte mit, meine Herren!«
    Czernik und Dr. Werth wurden rot unter ihrem Mundschutz. Sie schwiegen, aber sie rückten an Bergh heran und beobachteten jeden Handgriff.
    Mit zwei schnellen Scherenschlägen durchtrennte Bergh jetzt die Gefäße so, daß ein langer Stumpf stehenblieb. Beim ersten Einschnitt spritzte ein dicker Blutstrahl aus der Vena cava caudalis hervor. Er überschüttete Bergh, der sich tief über die Operationswunde gebeugt hatte. Die Haube, der Mundschutz, der ganze Kopf bis zu den Schultern waren rot und tropften vor Blut. Schwester Cäcilia nahm Bergh sofort die Brille ab und putzte sie mit einem Tupfer. Dann setzte sie ihm die Brille wieder auf.
    Bergh richtete sich auf. Er sah aus, als sei er durch Blut geschwommen. Brigitte schluckte – in der vierten Reihe saß Artur Sporenka. Als er den bluttriefenden Bergh vor sich sah, blickte er rasch weg. In seinem Magen rumorte es. Er hatte das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. Auch Josef Teschendorff war bleich geworden, gelblich fahl, und versuchte, durch tiefes Atmen seine Übelkeit zu bekämpfen.
    »Der Tumor in der Niere hat eine Stauung in den Venen verursacht. Dieser Rückstau ist jetzt beim Durchtrennen der Gefäße hervorgekommen! Weiter nichts! Die Blutung selbst steht!« Bergh sah zu Brigitte Teschendorff hinab. Er bemerkte in ihren Augen wieder die unverhüllte Leidenschaft, mit der sie damals zum erstenmal zu ihm gekommen war und

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