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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit leidender Stimme gerufenes »Bitte!« trat Gabriele Orth in das Zimmer.
    »Sie?« sagte Sporenka gedehnt. Er warf die Decken von sich und kletterte aus dem Bett. »Was wollen Sie denn hier?«
    »Der kranke Herr Chefredakteur!« Gabriele Orth musterte ihn mit unverhohlenem Abscheu. »Verkriecht sich vor der Verantwortung!«
    »Das ist ein Irrtum! Meine Galle – mein Magen – ich habe gelitten …«
    »Sie haben den Artikel so unter Ihre Papiere gelegt, daß man glauben sollte, er sei für die nächste Ausgabe! Und nach dieser schön gelegten Bombe sind Sie ins Bett gekrochen und haben sich gedacht: Die anderen lassen sie jetzt hochgehen! Und der Sporenka hat wieder einmal ein Köpfchen gezeigt! Wissen Sie überhaupt, was Sie da angestellt haben?« schrie Gabriele ihn an.
    »Ich weiß, ich weiß!« Sporenka hielt sich die Ohren zu. Er sank auf einen Stuhl und schüttelte verzweifelt den Kopf. »Immer bin ich schuld! Immer! Ich bin ein kranker Mann …«
    »Sie haben die Möglichkeit, diesen Skandal wieder abzubiegen.«
    Sporenka sprang auf. »Keinen Widerruf! Das wäre der Tod der Zeitung!«
    »Widerruf!« Gabriele Orth warf ihm eine schmale Karte zu. Es war eine auf einem halbstarken Karton gedruckte Einladung an die Presse, am Freitag um neun Uhr vormittags in das St.-Emanuel-Krankenhaus zu kommen. Sporenka las sie laut vor.
    »Herr Professor Dr. M. Bergh wird im Rahmen einer Privatvorlesung eine Operation demonstrieren. Es darf – unter Beachtung der Sterilvorschriften – fotografiert und gefilmt werden – Der Kommissionär des Staatlichen Gesundheitswesens, Dr. Czernik.«
    Artur Sporenka blickte zu Gabriele auf. »Der hängt auch dazwischen?«
    »Alle sind plötzlich auf Seiten Berghs. Nur Sie Idiot stehen allein!«
    »Fräulein Orth«, sagte Sporenka tadelnd, »ich bin immer noch Ihr Chef!«
    »Gehen Sie zu der Operation! Schreiben Sie, was Sie sehen! Wetzen Sie Ihre Dummheit aus! Das ist Ihre große Chance! Und sicher Ihre einzig anständige!«
    Die Vorbereitungen der großen Schauoperation hatten Dr. Czernik und Oberarzt Dr. Werth übernommen.
    Bergh kümmerte sich gar nicht darum. Er trommelte mit den Fingern an die Fensterscheibe. »Es ist entehrend, Herr Czernik!«
    »Aber es muß sein!«
    »Da wird sich mancher populärsüchtige Kollege ärgern«, sagte Bergh sarkastisch. »Und ich, gerade ich, der ich stets mit einem Mißbehagen auf die zur Sensation aufgebauschten Operationen bestimmter Kollegen in Deutschland gesehen habe, ich muß vor aller Welt wie eine gute Zirkusnummer auftreten. Das ist eine Zumutung, lieber Czernik, wie sie noch nie einem Arzt gestellt wurde.«
    Unterdessen wurde im Zimmer zwei der Privatstation Herr Clemens Moosbaur auf den Eingriff vorbereitet. Er war dazu ausersehen, den verrosteten Ruhm Professor Berghs wieder blank zu putzen.
    Im Krankenblatt standen die kurzen Angaben: Moosbaur, Clemens, sechsundvierzig Jahre, geboren in Wien. Beruf: Gewerkschaftssekretär. Verheiratet mit Erika, geborene Pullach. Vierunddreißig Jahre alt. Zwei Kinder.
    Clemens Moosbaur war vor fünf Tagen von seinem Hausarzt in das St.-Emanuel-Krankenhaus eingewiesen worden.
    Diagnose: Tumor im rechten Oberbauch, übergehend zum Mittelbauch. Die Größe wurde mit ›apfelgroß‹ bestimmt.
    Frau Erika Moosbaur wurde verständigt. Sie gab ihre Zustimmung zur Operation. Auch Moosbaur selbst war guter Dinge. »Holt das Ding 'raus!« sagte er zu Dr. Thoma. »Das ist ja keine große Sache.«
    »Durchaus nicht«, log Dr. Thoma. »So etwas kommt alle Tage vor …«
    »Und wann kann ich wieder 'rumlaufen?«
    »Bald –«, wich Dr. Thoma aus.
    Im OP I wurden die Filmkameras für die Wochenschau und das Fernsehen installiert. Sie wurden steril gemacht und über der riesigen Operationslampe an großen Galgen befestigt, von denen aus man durch Fernsteuerung die Laufwerke auslösen und stoppen und die einzelnen Objekte einschwenken konnte. Kontrollbildschirme standen rund um den OP-Tisch und übertrugen jeden Handgriff für die Zuschauer. Neben dem Instrumententisch stand ein Mikrofon. Mit ihm wollte Dr. Czernik jede Phase der Operation den Laien im Zuschauerraum erklären, während er selbst als Erster Assistent mit Professor Bergh den Tumor ausräumte.
    Durch die langgestreckten Gebäude der Klinik summte die Nervosität. Nur zwei Menschen waren ruhig, als ginge sie das alles überhaupt nichts an. Sie betrachteten den Wirbel um sich herum mit einem Kopfschütteln und reagierten auf ihre Art.
    Herbert

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