Der rostende Ruhm
habe mit Ihnen zu sprechen. Wann können wir uns sehen?«
»Zu jeder Zeit, Gnädigste.«
»Übermorgen abend. Neun Uhr …«
»Im Operncafé?«
»Nein – bei Ihnen …«
»Sie machen mich zum glücklichsten Mann Wiens, Gnädigste.« Baron v. Boltenstern tastete nach ihrer Hand. Brigitte zog sie zurück.
»Hier sind zuviel Augen, Baron. Sie werden die Kraft aufbringen müssen, achtundvierzig Stunden Geduld zu haben.«
»Ich habe diese Kraft schon seit zwei Jahren. Sie macht mich in Ihrer Nähe fast wahnsinnig …«
Wortlos, mit einem Lächeln zu dem erschöpften Czernik, der hastig die Zigarette rauchte, ging sie aus dem OP. In zwanzig Minuten würde ein neuer Eingriff stattfinden. Die operative Behandlung einer Pseudarthrose des linken Oberschenkels.
Am nächsten Tag erschien das amtliche Kommuniqué der staatlichen Gesundheitsbehörde. Es war voller Lob, beschrieb die Operation und stellte Professor Dr. Bergh das beste medizinische Zeugnis aus.
Dr. Czernik ließ diese amtliche Stellungnahme durch das österreichische Nachrichtenbüro an alle Zeitungen der Welt durchgeben.
Auch Artur Sporenka bekam es. Er ließ es zunächst liegen und nahm zwei Gallenpillen. Er rang mit dem größten Problem aller Journalisten, einen eigenen Artikel zu dementieren. So etwas ist eine Kunst. Ein Dementi kann Absturz oder Aufstieg werden … Sporenka hatte keine Lust zur ersten Version und suchte nach einem Weg, das amtliche Schreiben so mit einem Kommentar zu versehen, daß der erste, knallharte Artikel gegen Bergh wie eine Art Irrtum aussah, wie das Hereinfallen auf eine mysteriöse Information. Er suchte verzweifelt nach einem journalistischen Kniff, alle Schuld auf diesen unbekannten Informanten abzuwälzen und seine Weste wieder reinzuwaschen.
Am zweiten Tag war die Weltpresse um einen Artikel reicher. Die Operation Berghs flog um den Erdball. Aus allen Teilen der Welt kamen die telefonischen Anfragen nach freien Betten, kamen wieder die Anmeldungen von Patienten, die an das Wunder der Berghschen Hände glaubten.
Direktor Bernsteg registrierte sie mit mieslicher Miene. Seine Niederlage war vollkommen. Er war klug genug, sie sich einzugestehen und keinen Haß gegen Bergh aufkommen zu lassen. Er hatte es mit eigenen Augen gesehen: Der Größere war der Professor. Auch er war überzeugt worden.
Vom Bundespräsidialamt wurde verlautbar, daß Professor Bergh das große Verdienstkreuz erhalten solle. Die Universitäten von Chicago und Helsinki schickten Einladungen. Eine Bergh-Welle durchzog die medizinische Welt.
An diesem zweiten Tag, in den späten Abendstunden, als Bergh zu Hause saß und ein Rahmschnitzel aß, das Haushälterin Erna mit aller Liebe gebraten hatte, schlug es beim wachhabenden Operationsteam der St.-Emanuel-Klinik wie eine alles zerfetzende Bombe ein.
In Zimmer zwei der Privatstation schellte es Sturm.
Die rote Alarmlampe über der Tür zuckte wie wild. Schwester Angela, der ›Engel der Station‹, rannte wie von Sinnen zum Telefon und rief die Arztbereitschaft an.
In seinem Bett lag Clemens Moosbaur und schrie wie ein Tier. Er schlug mit den Armen um sich, sein Gesicht war gelb, dicker, kalter Schweiß überzog seinen Körper. Er riß an der Bettdecke, zerfetzte das Kissen und schrie – schrie …
»Mein Bauch!« brüllte er. »Mein Bauch! Ich verbrenne! Ich brenne! Mein Bauch! Hilfe! Hilfe!«
Er drückte beide Hände auf den Leib und kreischte. Seine Frau lag ohnmächtig auf dem Sofa, das man ihr ins Zimmer gestellt hatte, damit sie bei ihrem Mann sein konnte, bis die Krisis vorüber war.
Dr. Thoma war in wenigen Minuten im Zimmer zwei P. Er fand Moosbaur halb irrsinnig vor Schmerzen. Sein Kreischen und Schreien war so schrecklich, daß es Schwester Angela kalt über den Rücken lief. Sie kümmerte sich um die ohnmächtige Frau Moosbaur, während Dr. Thoma die Hände Moosbaurs mit Gewalt vom Leib wegdrückte und ein anderer Arzt ihn festhalten mußte, damit er nicht um sich schlug.
Zehn Minuten später rannte Oberarzt Dr. Werth zur Privat-Station. Man hatte ihn aus dem Caféhaus geholt, wo er jeden Abend einen Aperitif trank und die letzten Abendblätter las.
»Was ist denn los?« rief er, als er in das Zimmer stürzte. Dr. Thoma gab gerade eine Injektion hochdosierten Penicillins. Dr. Werth sah die Ampulle auf dem Nachttisch liegen und wußte plötzlich, was mit Moosbaur geschehen war.
»Wie kann diese Schweinerei bloß passieren?« schrie er.
Dr. Thoma sah während der Injektion zu ihm
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