Der rostende Ruhm
zu ihm gesagt hatte: Ich bin ein akuter Fall. Sie sah das Blut nicht, das seinen ganzen Oberkörper bespritzt hatte – sie starrte in seine Augen, und dieser Blick bettelte und lockte, war schamlos offen und anbietend.
Es gibt nichts, was sie rührt, dachte Bergh angewidert. So blutbesudelt wie ich bin, würde sie mich mit in ihr Bett nehmen, wenn sie es jetzt könnte. Sie sieht den Sinn des Lebens nur in einem – und dieses eine ist so schrecklich abnorm, daß es alle Heiligkeit und Schönheit der Natur verliert.
Er wandte sich wieder zu dem in der Narkose leise murmelnden Moosbaur. Dr. Thoma gab schnell die Werte durch. Herz normal, Puls leicht weich, Blutdruck absinkend.
Bergh beugte sich wieder in die Tiefe des offenen Bauches. Er nahm jedes Gefäß noch einmal mit einer Schieberpinzette und band es gesondert noch einmal ab. Erst, als der Stiel mit Sicherheit nicht mehr blutete, ließ Bergh ihn los.
Nach dieser eingehenden Versorgung des Gefäßstieles hing die Niere nur noch am Ureter. Bergh zog ihn weit heraus, vorsichtig, nicht wissend, ob auch er krank war, denn ein Abreißen des Ureters beim Herausziehen macht die ganze Operation hinfällig. Noch einmal setzte Bergh eine Ligatur am Ureter, ganz fest, damit sie nicht abrutschte, dann schnitt er ihn durch.
Die Niere mit dem großen Hypernephrom war gelöst. Dr. Czernik holte sie aus der Wunde heraus und legte sie auf eine Präparatschale, die eine Schwester anreichte.
In diesem Augenblick versagte bei Artur Sporenka aller Wille, sich zu beherrschen. Er sprang auf und rannte aus dem OP. Gabriele Orth sah durch die große Glasscheibe, wie er sich über einem Spülbecken des Vorbereitungszimmers erbrach und dann bleich hinauswankte.
»Das wär's!« sagte Professor Bergh laut. Er zog seine blutigen Handschuhe aus und warf sie auf den Steinboden des OPs. Mundschutz und Kappe riß er ab und warf sie den Handschuhen nach. »Der Patient wird in drei Wochen als geheilt entlassen werden. Allerdings wird er ständig überwacht werden müssen, denn kein Tumor hat so oft Solitärmetastasen wie das Hypernephrom. Vielleicht müssen wir einmal – wahrscheinlich nach langer Fastenzeit – eine neue Radikaloperation machen. Sehr oft ist es eine Lobektomie eines Lungenlappens. Aber da heißt es für uns nur: Abwarten! Was getan werden konnte, ist getan worden! Der Patient wird weiterleben …«
Hochaufgerichtet verließ er den OP. Vorbei an Baron v. Boltenstern, der den Kopf senkte, vorbei an Brigitte Teschendorff, die ihm mit feuchten, halbgeöffneten Lippen und einer tierischen, aus den Augen schreienden Lust nachstarrte. Vorbei an Bernsteg und Teschendorff und an den anderen Ärzten, die neidlos, voll stiller Bewunderung ihm leicht zunickten. Das akademische Beifallsscharren mit den Füßen verbot der noch offene Leib Clemens Moosbaurs und die Sterilität des Operationssaales.
Oberarzt Dr. Werth und Dr. Czernik beendeten die Operation. Ihnen blieb nach der Großtat nur noch das Handwerkliche übrig. Sie schlossen Schicht auf Schicht den Operationsraum, schlossen eine Bluttransfusion aus einer Blutkonserve an und deckten dann Moosbaur mit dicken warmen Tüchern ab. Erst als Wortischek ihn wieder aus dem OP rollte, ließen sie sich den Mundschutz abbinden und den Schweiß von der Stirn tupfen. Die nervliche Anspannung fiel von ihnen ab, sie floß mit dem Schweiß aus ihrem Körper heraus. Dr. Czernik sank in sich zusammen und setzte sich auf einen Stuhl neben den nun leeren Operationstisch.
»Welch ein Chirurg!« sagte er so laut, daß es alle im Saal hörten. »Und so einen Mann hat man angefeindet!«
Josef Teschendorff war der erste, der von seinem Platz aufstand. Er tupfte sich noch immer den kalten Schweiß aus dem Gesicht und atmete tief auf, als durch die neueingebaute Klimaanlage der Blutgeruch abgesaugt und Frischluft in den Raum geblasen wurde.
»Meine Damen und Herren!« sagte er laut. »Als Vorsitzender des Kuratoriums erkläre ich hiermit, daß ich volles Vertrauen zu Herrn Professor Dr. Bergh besitze und alle Angriffe als eine bodenlose Infamie ansehe. Was er uns soeben bewiesen hat, ist die Tatsache seines überragenden Könnens. Ich schäme mich, daß man einem solchen Manne ein solches Unrecht zufügen konnte.«
Brigitte sah schnell zur Seite auf Baron v. Boltenstern. Dann fiel ihr Blick auf Gabriele Orth, die mit einigen Pressevertretern und den Männern des Fernsehens sprach. Ihre Züge wurden hart und brutal. »Baron«, sagte sie leise. »Ich
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