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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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diesem Falle zu dem Thema »Christus Herr«. Vor allem geht es um die Frage... [unleserlich] Staat und Kirche u.s.w. Ich kann in diesem Zusammenhange klar von Christus zeugen... [unleserlich]
    Immerhin ist es für mich schon eine Freude, mich einmal mit einem gebildeten ernstzunehmenden Menschenüber die Wahrheitsfrage aussprechen zu können. Über 11/2 Stunden sind wir zusammen – meinen Nerven tut solch ein Gespräch nicht gut, wohl aber dem Herzen.
    Abends lasse ich mich von Willi überreden, in den Film »Gasparone«, nach der Operette von Millöcker, zu gehen. Aber ich bin, wie jedesmal, danach wie geschlagen. Bisher sah ich noch keinen Film, der mich irgendwie befriedigte, von künstlerischen Qualitäten gar nicht zu reden. Alles Effekt, übertrieben – und sittlich völlig minderwertig.
     
    Jugoslawien Der Leutnant Eberhard Isemann 192 3–1945
    Mein liebstes Schwesterlein,
    dunkel ist die Welt und traurig; und dunkel ist eben der Himmel draußen – aber hell leuchtet der Orion und hell leuchtet uns, die wir noch darum wissen, das Licht der Liebe Gottes.
    Dies ist mein Gruß für Dich heute und er soll Dir Mut und Freude bringen, daß Du trotz aller Not und Traurigkeit stark und fröhlich bliebest. Denn jetzt müssen wir tapfer bleiben und den Verzagenden Trost und Hilfe sein. Jetzt müssen wir treu bleiben im Glauben und im Hoffen, denn sonst vergeht auch noch der heilige Rest.
    Ich weiß, mein Schwesterlein, daß Du alle das Geschehen jetzt schwer trägst. Wem sollte es nicht bitter weh tun, wenn alle Not und alles Herzeleid so bitter und schwer wird wie nie zuvor? Und deshalb denke ich sehr an Dich und bete für Dich wie für alle, die mir lieb sind. Wir müssen ja für viel Bewahrung täglich dankbar sein.
    Feine Post bekam ich von Reni, die am 1. Jan. einem Wolfgang das Leben schenkte. Wie freue ich mich mit ihr über dies gesunde Kindlein und über Gottes gnädige Bewahrung. Nun darf sie ein eigenes Menschenkind ins Leben geleiten nach den vielen fremden.
    Gottes Liebe befehle ich Dich wie auch alle Lieben und bleibe Dein Hardy
     
    Fulda Der Luftwaffenhelfer Bruno Hoenig *1928
    Ja nun ist der Urlaub zu Ende. Sitze jetzt im Bahnhof Fulda und warte auf den Anschlußzug. Es ist so ein eigenartiges Gefühl jetzt wieder Soldat zu sein. Am 1 1. sollte ich schon bei der Batterie eintreffen. Wer weiß was das geben wird. Ich habe mich jetzt entschlossen dem Stolz ein Ende zu setzen. Den Ring habe ich abgelegt. Will mich jetzt mal zusammenreißen, daß ich endlich das Übel loswerde. Am Sonntag waren wir in Blankenese in der Kirche. Zur Beichte konnte ich nicht gehen aber die hl. Kommunion habe ich empfangen. Auch in der Kirche will ich sehen, daß ich die übertriebene Frömmelei ablege. Wenn ich nur wieder richtig beten könnte! In der Batterie steht mir sicher wieder ein Kampf bevor, daß ich jeden Sonntag zur hl. Messe kann. Aber gerade das macht mich glücklich. Ich bin eben ein Idealist und muß ein Ideal haben. Der Nationalsozialismus ist sicher nicht das Rechte aber auch er hat ein Ideal. Hoffentlich komme ich nicht auf ungerade Wege dadurch.
     
    Berlin Gertrud Bayer *1909
    Bei strömendem Regen und grundlosem Schneematsch zum Friseur, wo der Strom versagte, gerade ehe gewaschenwurde. Alle Lokale zu! Nachdem Herta und ich aus dem Rucksack frische Schuhe und Strümpfe angezogen hatten, landeten wir im Kino. »Meine Frau Teresa«, reizend. Dann Schulungsvortrag bei der Arbeitsfront, unerhört, einen für sowas zu bestellen! In L. fiel ich abends die ganze Treppe kopfüber herunter. Glück gehabt!
     
    Dresden Liesbeth Flade
    Wir saßen nach dem Abendbrot noch gemütlich erzählend um den Tisch, ich hatte irgend eine Flickerei in der Hand und probierte meine erste nagelneue Brille aus. Die Abende vorher waren wir ziemlich unruhig gewesen; wahrscheinlich weil fast jede Nacht Alarm war und weil man erst jetzt durch die schlesischen Flüchtlinge anfing an das Flüchtlingselend zu glauben, zogen wir die Möglichkeit in Erwägung, daß es auch uns einmal so gehen könnte. Deshalb hatte ich für Maria und mich Taschen aus Nessel an einen Gurt genäht, die wir uns, gefüllt mit unseren Wertsachen (Sparkassenbücher, Geld, Schmuck) unter die Kleider binden konnten. Auch hatten wir alles Wichtigste (Verzeichnis über unser verstreutes Eigentum, die Nummern unserer Sparkassenbücher und Konten und Versicherungen und Adressen für den Fall der Zerstreuung unserer Familie) aufgeschrieben. Jedes Familienmitglied

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