Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
England vernehmbar, die doch eine langsam dämmernde Erkenntnis über die bolschewistischen Fernziele bemerkbar machen. So hat sich beispielsweise jetzt der Herzog von Bedford wieder in sehr scharfer Form gegen die englische Kriegspolitik gewandt und eine Erklärung abgegeben, die fast im »Völkischen Beobachter« als eigene Meinung niedergelegt sein könnte. Allerdings ist der Herzog von Bedford ohne jeden Einfluß; immerhin aber darf nicht vergessen werden, daß er ein Mitglied des Königshauses ist. Ich nehme an, daß das englische Königshaus nicht viel besser ist als die anderen europäischen; und Könige pflegen im allgemeinen wankelmütig zu werden, wenn sie bemerken, daß ihre Throne in Gefahr geraten. Und diese Gefahr ist sicherlich heute auch für den englischen Thron gegeben.
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Dresden Katharina Tietze
Der 13. Februar war grad Fastnachtsdienstag. Am Spätnachmittag war Frl. Weßner mal ein Stündchendagewesen, und nach dem Abendbrot kam Eva aus Loschwitz, um sich irgend etwas zu holen, blieb vielleicht 1/2 Stündchen und verabschiedete sich wieder, um nach der Schweizer Straße zur Müller-Mutti zu fahren und dort zu schlafen. Sie wird uns ungefähr 1/2 9 Uhr verlassen haben. Wir drei, Vater, Tante Dore und ich, saßen noch ein Weilchen uns unterhaltend beisammen und rüsteten in der zehnten Stunde allmählich zum Schlafengehen. Als wir die Stiefel schon ausgezogen hatten und ich grad das Fußbadewasser brachte, ertönte 1/210 Uhr die Sirene: »Vollalarm!« Schnell wieder Stiefel an, Mäntel dazu und mit Luftschutzgepäck und Decken hinunter in den Keller, wo wir wohl so ziemlich zuletzt ankamen, man uns aber die gewohnten Plätze freigelassen hatte.
Dresden Die Hauswirtschaftslehrerin Herta Daecke
Eine wunderbare Abendbeleuchtung empfing mich, als ich zum letzten Mal die Landesbauernschaft verließ. Eigentlich wollte ich meinen Wäschekoffer bei Maria Küchler holen, aber ich hatte das Gefühl, noch allerlei anderes in Ordnung bringen zu müssen – bezahlte Rechnungen und brachte noch Schuhe weg, dummerweise gerade meine zwei Paar guten. Kaum liege ich kurz nach 9 Uhr im Bett, geht der Alarm los.
Dresden Eva Schließer
Als wir abends nach 9 gemütlich beisammen saßen, ich eifrigst mit Muttis Häkeltaschentuch beschäftigt, das unbedingt noch bis zum Geburtstag fertig werden sollte, und Ursel am Klavier, unserem unendlich geliebtenschönen Klavier – da ertönten zum ersten Mal in dieser Katastrophennacht die Sirenen. Ursel hatte gerade so reizend »Willst du dein Herz mir schenken ...« gesungen und schlug die ersten Takte von »Müde bin ich, geh zur Ruh« an, da schwirrten auch schon die Tommies über uns. Ach, in dieser Nacht gingen Tausende zur ewigen Ruh, für uns war’s die ruheloseste Nacht unseres Lebens.
(Dresden) Victor Klemperer 1881–1960
Wir setzten uns am Dienstag abend gegen halb zehn zum Kaffee, sehr abgekämpft und bedrückt, denn tagüber war ich ja als Hiobsbote herumgelaufen, und abends hatte mir Waldmann aufs bestimmteste versichert (aus Erfahrung und neuerdings aufgeschnappten Äußerungen), daß die am Freitag zu Deportierenden in den Tod geschickt (»auf ein Nebengleis geschoben«) würden und daß wir Zurückbleibenden acht Tage später ebenso beseitigt werden würden – da kam Vollalarm. »Wenn sie doch alles zerschmissen!« sagte erbittert Frau Stühler, die den ganzen Tag herumgejagt war, und offenbar vergeblich, um ihren Jungen freizubekommen.
Dresden Der Soldat Rudolf Thomas
Ich habe als verwundeter Soldat die schreckliche Bombennacht miterlebt. Ich war erst im Hilfslazarett in der Annenschule untergebracht, dann wurden wir verlegt nach dem Vitzthum-Gymnasium. Am Abend hatten wir noch eine Kulturveranstaltung und ich kann mich noch genau an das Lied »Du und ich beim Mondenschein auf einer kleinen Bank allein...« erinnern, was von einer Sängerin vorgetragen wurde.
Nach dem Programm gingen wir wieder auf unsere Zimmer. Gegen 22 Uhr wurde Fliegeralarm gegeben. Jeder der dazu in der Lage war, mußte die Uniform anziehen, dann ging es ab in die Keller.
Dresden Der Wehrmachtsfunker Franz Leiprecht *1921
Heute Abend war es wieder so weit. 20 Uhr Abfahrt zum Bahnhof zur Verladung. Diesmal verabschiedete ich mich telefonisch von meinem Bruder. Um 22 Uhr sollte alles verladen sein und fertig zur Abfahrt. Auf dem Bahngelände herrschte Hochbetrieb. Wir verließen unseren Waggon, um auf dem Bahnsteig nochmal frische Luft zu schnappen.
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