Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
den brandhellen Nachthimmel ragen.
So schaurig und ungeheuerlich war das alles, daß ich es nur mit den Augen, kaum aber mit den Sinnen zu erfassen vermochte. Das tut man mit Dresden – einer der schönsten und kulturreichsten Stätten der Welt! Ichwandte den Blick zur Carolabrücke, von der eine seltsam farbene, hohe Flamme flackernd emporstieg. Hier hatte sich die getroffene Rohrleitung des Gasnetzes entzündet. und ich überlegte im selben Moment, in den Brückenpfeilern könnten ja bereits Sprengladungen eingelassen sein; am Tage vorher waren hier Soldaten einer Pioniereinheit tätig gewesen.
Also wandten wir uns schleunigst von diesem gefährlichen Platze dem breiten Ring zu und gelangten bis zum Georgplatz. Hier trennten wir uns; ich selbst bog nun in die Johann-Georgen-AIlee ein und mußte etliche Male in Hauseingängen Schutz vor dem ständigen Funkenwirbel suchen.
Auch das Hygiene-Museum brannte und zeigte wüste Zerstörungen. Als ich eben daran vorübergegangen war, tat es plötzlich einen jähen Blitz und Knall, und im nämlichen Moment schleuderte mich der Luftdruck über einen dicken, am Boden liegenden Baumstamm hinweg zwischen eine Anzahl von Leuten, die erhobenen Kopfes dahinterhockten. »Verdammt, das konnte schief gehen«, wandte ich mich an einen Mann neben mir. Aber der glotzte geradeaus und war tot. Tot waren auch die übrigen, die hier kauerten, und ich lief rasch weiter, wobei ich allerdings die Befürchtung nicht los wurde, daß abermals eine spät krepierende Bombe explodieren könnte.
Fast schlimmer noch als in den Straßen der Stadt sah es im Großen Garten aus. Überall lagen Bäume gefällt, zwischen denen Gruppen von Menschen herumirrten. Ich mußte tiefe Bombentrichter umgehen und sah am Ende der Hauptallee die am Palais gelegenen Pavillons sämtlich lichterloh brennen. Eine vor dem Palais eingeschlageneBombe hatte dieses prächtige Gebäude in eine öde Ruine verwandelt. Gewirre von Ästen und Stämmen sperrten die breite Fürstenallee.
Als ich dann eben den Comeniusplatz überqueren wollte, hörte ich eine kindliche Stimme rufen: »Dort kommt der Papa!«; und nun sah ich die Meinen, die Frau und alle Kinder nebst einigem geborgenem Gepäck auf einer Bank des Platzes sitzen und lief erlösten und dankbaren Herzens auf sie zu. Unsere Jüngsten, die Zwillinge, waren noch ganz befangen von dem, was sie eben überstanden hatten und kaum zu begreifen vermochten. Mit Mundtüchern und Schutzbrillen angetan, blickten sie angstvoll in die blutroten Brände, welche die Nacht erhellten, während mir meine Frau hastig berichtete, daß unser Nachbarhaus bereits brenne und auch unseres wohl nicht mehr zu retten sei. Trotz meiner Müdigkeit und Erschöpfung gönnte ich mir nur einige Augenblicke Ruhe und tat erquickende Schlucke aus einer Selterwasserflasche. Dann hieß ich Jack, den mir verbliebenen Ältesten, mitzukommen und schritt mit ihm durch die Funkenwirbel der Fürstenstraße unserem Hause zu, das noch zugänglich war. Schnell eilten wir die Treppen empor zur offenstehenden Wohnung. Auf dem Dachboden oben befand sich unsere Hausfeuerwehr im Einsatz. Mit Mühe riß ich ein flaches Rollwägelchen hinter dem Ofen des Baderaumes hervor, trug es nach unten und bepackte es mit Betten, Kleidern und Wäsche, die wir aus den Kellern emporholten.
Der Rückweg durch die brennende Fürstenstraße war bereits ziemlich beschwerlich. Immer wieder versperrten Baumäste, Haustrümmer und Brandfladenden Weg, der von Funken und stickigem, beizendem Rauch erfüllt war. Möbelstücke standen an den breiten Gehsteigen, Leute hasteten, und vor einem Hause mühte man sich um ein ohnmächtig gewordenes Mädchen. Als wir am Comeniusplatz anlangten, verspürte ich heftige Wadenkrämpfe, weshalb ich mich eine Weile ausruhen mußte. Dann ging ich abermals in Begleitung des wackeren Sohnes Jack den Weg durch die Brände und barg aus der Wohnung wiederum ein Rollwägelchen voll Gut. Schon sah es um unsere Wohnung bedrohlicher aus, denn der heftige Sturm dieser Nacht trieb die Flammen immer mehr herüber auf unser Haus. Wir eilten, die geretteten Habseligkeiten zum Comeniusplatz zu rollen, und da wir uns entschlossen, auch noch ein drittes Mal den Weg durch die Feuersglut zu gehen, bat meine Frau, ich möchte vor allem eine Wäscheleine mitbringen, vermittels derer sie einiges fest zusammenzuschnüren gedachte.
Jetzt war die Sache schon eine ziemlich schwierige und gefahrvolle. Nur einzelne Passanten, die dem
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