Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
in ihre Wohnungen, um sich den Schaden näher zu betrachten und noch Gegenstände zu retten; wir Kinder mußten im Keller bleiben. Ich hatte nur den einzigen Wunsch, so bald wie möglich eine Brille zum Schutz gegen den beißenden Brandgeruch zu bekommen, aber meine Eltern waren von den Ereignissen zu sehr benommen, als an solche Dinge zu denken. Der Brandgeruch verstärkte sich immer mehr, er kam von den brennenden Häusern der Umgebung. Irgend jemand hatte vorgeschlagen, in das gegenüberliegende Haus zu gehen. Als ich den Keller verließ, bot sich mir ein ungewohnter Anblick. Auf dem Kellergang lagen zertrümmerte Bretter, ich konnte mir gar nicht erklären, wo diese je gewesen sein sollten. Keine Fensterscheibe war mehr zu sehen, nur Glassplitter. Draußen in der Dunkelheit herrschte ein furchtbarer Orkan, der Feuerfunken mit sich riß, der Himmel war rosa gefärbt durch die Brände. Der Keller, den wir dann erreichten, bot einen unerfreulichen Anblick – man fühlte sich schutzlos und verlassen in diesem Riesenraum, in dem der Orkan sich furchtbar verfangen hatte. Der Keller, es war eigentlich nur ein Vorraum mit unzähligen Türen, die meisten waren schon herausgerissen und die paar anderen drohten bei einem neuen Windstoß auch noch aus ihren Scharnieren zu fallen. Hier merkte man nicht so viel von der Brandluft, aber was noch viel schlimmer war, man fühlte sich hier vollkommen schutzlos. Eine Frau erzählte, daß ihre Meissner Teller noch alle an der Wand seien. Meine Eltern hatten allerdings in ihrer Wohnung weniger erfreuliche Tatsachen erlebt. Die Gardinenhingen senkrecht aus den Fenstern, vielmehr waren sie vom Sog hinausgezogen worden. Eine Wand war eingedrückt worden, Möbel lagen überall umher. Sie hatten aus der Wohnung nur einen Heizofen in den Keller gebracht, und mein Vater hatte seine Perle noch schnell eingesteckt. Meine Tante hat nur einen lächerlich nutzlosen Rauchtisch mit in den Keller genommen.
Dresden Der Wehrmachtsfunker Franz Leiprecht *1921
Nach etwa 30 Minuten verließen wir den Schutzraum. Um Gottes Willen! Rings um uns ein Flammenmeer. Wo es möglich war halfen wir bei der Bergung von Gut und Menschen. Ein Luftschutzwart beauftragte uns, auf den Dachboden eines benachbarten Hauses zu gehen um dort mit der Feuerpatsche die Brandstäbe und den Funkenflug zu löschen, und das in einem wildfremden Haus bei Nacht.
Dresden Der Leiter des Instandsetzungsdienstes Georg Feydt
Ich persönlich bin 35 Minuten nach Beendigung des ersten Angriffs durch die Innenstadt gegangen. Das Charakteristische eines sich langsam entwickelnden Flächenbrandes, der durch die von Sprengbomben eingeschüchterte, im Keller sitzende Bevölkerung nicht gelöscht wird, ist es ja gerade, daß er sich sehr langsam entwickelt und erst dann schlagartig in Erscheinung tritt, wenn an Zigtausenden kleinen Einzelbrandstellen der Brand sich so weit ausgebildet hat, daß er die Dachhaut durchschlägt und urplötzlichmeist gleichzeitig das dritte und vierte Stockwerk der Häuser in großer Ausdehnung in Brand steht.
(Dresden) Victor Klemperer 1881–1960
Draußen war es taghell. Am Pirnaischen Platz, in der Marschallstraße und irgendwo an oder über der Elbe brannte es lichterloh. Der Boden war mit Scherben bedeckt. Ein furchtbarer Sturmwind blies. Natürlicher oder Flammensturm? Wohl beides. Im Treppenhaus der Zeughausstraße 1 waren die Fensterrahmen eingedrückt und lagen z.T. hindernd auf den Treppen. Bei uns oben Scherben. Fenster eingedrückt auf der Diele und nach der Elbe hin, im Schlafzimmer nur eines; auch in der Küche Fenster zerbrochen, Verdunkelung entzwei, Licht versagte, Wasser fehlte. Man sah große Brände über der Elbe und an der Marschallstraße. Frau Cohn berichtete, in ihrem Zimmer seien Möbel vom Luftdruck verrückt. Wir stellten eine Kerze auf den Tisch, tranken ein bißchen kalten Kaffee, aßen ein paar Brocken, tappten durch die Scherben, legten uns zu Bett. Es war nach Mitternacht – heraufgekommen waren wir um elf –, ich dachte: Nur schlafen, das Leben ist gerettet, für heute nacht werden wir Ruhe haben, jetzt nur die Nerven beruhigen! Eva sagte im Hinlegen: »Das sind doch Scherben in meinem Bett!« – Ich hörte sie aufstehen, räumen, dann schlief ich schon.
Dresden Die Komponistin Aleida Montijn *1908
In irgendeiner Kellerecke wachte ich wieder auf, es war eine Feuerpause. Die erste Welle war über Dresden hinweggerollt. Man versuchte, in die brennenden
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