Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
Lachen. Und zum Volksopfer sind so viele schöne S.A.-Mäntel und Uniformen abgegeben worden, ich möchte wissen warum? Wo sie jeder S.A. Mann gebrauchen kann. Also Richard folge mir und melde Dich mal krank.
Da bleibt gesund, seid herzlich gegrüßt
von Eurer Frida und Karl.
Berlin Adolf Hitler 1889–1945
Politisches Testament
Der Nationalsozialismus hat die Judenfrage von Grund auf angepackt und auf den Boden der Tatsachen gestellt: er deckte die jüdischen Absichten auf die Weltherrschaft auf, er befaßte sich eingehend und gründlich mit ihnen, er warf die Juden aus allen Schlüsselstellungen hinaus, deren sie sich bemächtigthatten, er trieb sie aus mit dem unbeugsamen Willen, den deutschen Lebensraum vom jüdischen Gift zu säubern. Es handelte sich dabei für uns um eine lebensnotwendige und in allerletzter Minute unternommene radikale Entgiftungskur, ohne die wir jämmerlich zugrunde gegangen wären.
Hatte aber dieses Vorgehen in Deutschland Erfolg, so bestand alle Aussicht, daß es Schule machte. Das war sogar zwangsläufig zu erwarten, denn es ist nur natürlich, daß das Gesunde über das Kranke triumphiert. Die Juden wurden sich dieser Gefahr bewußt, und darum entschlossen sie sich, alles aufs Spiel zu setzen und einen Kampf auf Leben und Tod gegen uns auszulösen. Sie mußten den Nationalsozialismus um jeden Preis zerschmettern und sollte die Welt darüber zu Grunde gehen. Noch kein Krieg bisher war ein so ausgesprochen und so ausschließlich jüdischer Krieg wie dieser.
Der Nachmittag
Dresden Der Oberzahlmeister Gerhard Erich Bähr 1894–1975
Ich hatte am 13. Februar mittags Handgranatenausbildung gehabt und ging, weil das schon um 2 Uhr zu Ende war, zur Heereskleiderkasse in der Pragerstraße, um noch einiges Nötige einzukaufen. Auch Hildegard war in der Stadt gewesen und bei ihrer Schwester. Ebenso hatte Ingelore Besorgungen gemacht. Als ich heimkam, spielten kleine Kinder in Faschingsaufzug auf der Straße. Einen Augenblick berührte mich dasbitter in dieser Zeit äußerster Sorge. Auch Ingelore war entrüstet darüber. Ich meinte aber doch, ihr sagen zu müssen, daß die Kinder keinen Maßstab für den Ernst der Lage haben können. Und danach haben wir manches Mal daran gedacht, für wie viele dieser Kinder es wohl die letzte Freude gewesen sein mag.
Dresden Victor Klemperer 1881–1960
Dienstag nachmittag bei vollkommenem Frühlingswetter
Odysseus bei Polyphem. – Gestern nachmittag ließ mich Neumark [Dr. Ernst Neumark, Vertrauensmann der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland für den Bezirk Dresden] hinüberrufen; ich müßte heute vormittag beim Austragen von Briefen behilflich sein. Ich nahm das ahnungslos hin. Abends war Berger eine Weile bei mir oben, ich erzählte es ihm, und er sagte geärgert, das werde um Schanzarbeit gehen. Noch immer erfaßte ich nicht die Schwere der Bedrohung. Um acht Uhr war ich dann heute bei Neumark. Frau Jährig kam weinend aus seinem Zimmer. Dann sagte er mir: Evakuation für alle Einsatzfähigen, es nennt sich auswärtiger Arbeitseinsatz, ich selber als Entpflichteter bliebe hier. Ich: Also für mich sicherer das Ende als für die Herausgehenden. Er: Das sei nicht gesagt, im Gegenteil gelte das Hierbleiben als Vergünstigung; es bleibe ein Mann, dem zwei Söhne im ersten Weltkrieg gefallen, ferner er, Neumark, weiter Katz (wohl als EK-I-Träger, nicht als Arzt, denn Simon kommt fort), Waldmann und ein paar Schwerkranke und Entpflichtete. Mein Herz streikte in der ersten Viertelstunde vollkommen, später war ich dann vollkommen stumpfd.h., ich beobachtete für mein Tagebuch. Das auszutragende Rundschreiben besagte, man habe sich am Freitag früh im Arbeitsanzug mit Handgepäck, das eine längere Strecke zu tragen sei, und mit Proviant für zwei bis drei Reisetage in der Zeughausstraße 3 einzufinden. Vermögen, Möbel- etc. Beschlagnahme findet diesmal nicht statt, das ganze ist ausdrücklich nur auswärtiger Arbeitseinsatz – wird aber durchweg als Marsch in den Tod aufgefaßt. Dabei kommen die grausamsten Zerreißungen vor: Frau Eisenmann und Schorschi bleiben hier, Lisl, die elfjährige Sternträgerin, muß mit Vater und Herbert fort. Man nimmt auf Alter weder nach oben noch nach unten, weder auf siebzig noch auf sieben Rücksicht – es ist unbegreiflich, was man unter »arbeitsfähig« versteht. – Ich hatte erst Frau Stühler zu benachrichtigen, sie erschrak wilder als über den Tod des Mannes und raste mit starren Augen
Weitere Kostenlose Bücher