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Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miles Cameron
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den Bart und fuhr sich dann durch die Haare, während er einen Blick zurück auf den langen, dreckigen Zug aus Rindern und Schafen warf, der sich hinter ihm auf dem Bergpfad erstreckte, so weit das Auge blicken konnte.
    »Zahlt mir nur den Zoll. Ich werde dafür sorgen, dass Ihr die Münzen so schnell wie möglich zurückbekommt.« Der Mann war groß, kräftig und trug ein Kettenhemd, das ein Vermögen wert sein mochte. Jedes einzelne Glied war fest vernietet und so stark wie Stein.
    Er hatte Angst vor Hector Lachlan.
    Aber er hatte keine so große Angst, dass er die Viehkarawane einfach hätte weiterziehen lassen. Es war wichtig, dass er dabei beobachtet wurde, wie er den Zoll kassierte. So war es nun einmal in den Bergen, und offenbar ließ ihn seine eigene Angst allmählich wütend werden.
    Hector sah, wie sich die Miene des Mannes veränderte.
    »Verdammt seid Ihr! Zahlt den verdammten Zoll, oder …«
    Hector zog sein Schwert. Er ließ sich nicht von der Wut oder Angst eines Gegners und auch nicht von den fünfzig bewaffneten Männern hinter ihm aus der Ruhe bringen. Ganz gemächlich holte er das Schwert hervor und drehte es so lange, bis die Spitze reglos auf das Gesicht des anderen Mannes zeigte.
    Dann trieb er die nadelspitze Klinge mit aller Kraft durch dessen Stirn, so wie ein Schuhmacher ein Loch ins Leder stanzt. Der Mann in der Rüstung sackte zusammen, seine Augen rollten nach oben. Er war längst tot.
    Hector seufzte.
    Das Gefolge des Toten stand stocksteif hinter ihm. Ihr Schock würde noch einige Herzschläge lang anhalten.
    »Halt!«, rief Hector. Es war eine feine Kunst, die anderen zu kommandieren, ohne sie zu bedrohen und dadurch möglicherweise genau die Reaktion hervorzurufen, die er verhindern wollte.
    Der Leichnam fiel zu Boden; die Beine des Toten zuckten noch einmal kurz.
    »Keiner von euch muss sterben«, sagte er. Auf der Spitze seines Schwertes klebte ein Faden, der von dem Blut des Toten herrührte. »Er war ein Narr, weil er von mir Zoll gefordert hat, und jedermann hier weiß das. Sein Stellvertreter soll das Kommando übernehmen, und dann wollen wir die ganze Sache vergessen.« Nachdem Lachlan gesprochen hatte, befanden sich die Männer ihm gegenüber eine Weile im Schwebezustand des Zweifels, der Angst, Gier und Loyalität – nicht dem Toten gegenüber, sondern dem Gesetz, das von ihnen verlangte, ihn zu rächen.
    Das Gesetz war stärker.
    Lachlan hörte das Grunzen, das ihren Widerstand anzeigte. Er legte beide Hände an sein Schwert, hob es hoch über seinen Kopf und hieb auf den Mann ein, der ihm am nächsten stand. Jener hatte sein Schwert zwar ebenfalls schon in der Hand, war aber zu langsam, um sein Leben noch retten zu können. Der heftige Schlag hieb ihm die Waffe aus der Hand und spaltete ihm den Schädel von der linken Braue bis zum rechten Kiefer, sodass der obere Teil des Kopfes sauber abgetrennt wurde und zur Seite flog.
    Nun verließen Hectors Männer ihren Platz bei den Tieren und drangen vor. Wenn all dies einmal vorüber sein würde – all der Lärm, die Gewalt, das Blut, die Körperausscheidungen –, wäre ein ganzer Tag verloren, und überdies würden sie noch alle Tiere einsammeln müssen, die in der Zwischenzeit in die Täler und Schluchten entwischt waren.
    Jemand – irgendein alter Philosoph, an dessen Namen sich Lachlan nicht erinnern konnte, von dem er aber gehört hatte, als ein Priester ihm das Lesen und Schreiben beigebracht hatte –, dieser Jemand hatte einmal gesagt, dass die Hochländer die ganze Welt erobern könnten, wenn sie damit aufhören würden, gegen sich selbst zu kämpfen.
    Darüber dachte er nach, als er seinen dritten Mann an diesem Tag tötete, sein Gefolge ohne das geringste Gebrüll angriff und die dem Untergang geweihten Männer vom Zolltor niedergemetzelt wurden.
    Lissen Carak · Der Rote Ritter
    Das Lager unter der Abtei verschwand so schnell, wie es entstanden war. Die Zelte wurden abgeschlagen und in den Wagen verstaut, und diese wurden den steilen Hang hinauf und in die Festung gezogen.
    Die erste Arbeit bestand darin, die ganze Truppe einzuquartieren. Der Hauptmann und die Äbtissin schritten rasch durch das Dormitorium, die große Halle, die Kapelle, die Stallungen und die Lagerhäuser; sie stellten Berechnungen an und teilten Plätze zu.
    »Ich werde natürlich auch mein ganzes Volk in den Schutz der Mauern holen müssen«, sagte die Äbtissin.
    Der Hauptmann biss sich auf die Lippe und sah auf den Innenhof hinaus.

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