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Der rote Planet

Titel: Der rote Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander A. Bogdanow
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Sterni ist
also kaum imstande, Stimmungen und Gedanken anderer Menschen zu
erfassen. Er wird Ihnen stets gern helfen, wenn Sie sich an ihn wenden,
aber er wird nie spüren, ob Sie etwas brauchen. Daran hindert
ihn
natürlich auch der Umstand, dass er fast immer in seine Arbeit
vertieft
ist, sein Kopf ist ständig voll von irgendwelchen schwierigen
Aufgaben.
Menni ist ganz anders, er sieht immer alles, was um ihn herum
geschieht, und manchmal weiß er sogar besser als ich, was ich
will, was
mich beunruhigt, was mein Verstand und mein Gefühl
suchen.«
    »Dann muss sich Sterni uns Erdenmenschen
gegenüber ziemlich
feindselig verhalten. Wir sind schließlich voller
Widersprüche und
Unzulänglichkeiten.«
    »Feindselig? Nein, dieses Gefühl ist ihm
fremd. Aber er ist wohl
skeptischer als notwendig. Sterni hatte erst ein halbes Jahr in
Frankreich verbracht, da telegraphierte er Menni: ›Hier
brauchen wir
nicht zu suchen.‹ Vielleicht hatte er recht, denn auch Letta
hat
dort keinen geeigneten Menschen gefunden. Aber Sterni beurteilt die
bedeutenden Menschen dieses Landes viel rigoroser als Letta, und
natürlich sind Sternis Charakteristiken viel einseitiger,
obwohl sie
nichts direkt Falsches enthalten.«
    »Wer ist Letta, den Sie eben erwähnt haben?
Ich erinnere mich nicht an ihn.«
    »Ein Chemiker, ein Gehilfe Mennis. Er ist der
Älteste auf dem
Sternschiff. Zu ihm werden Sie leicht Kontakt finden, und das wird
Ihnen sehr nützen. Letta hat eine weiche Natur und besitzt
viel
Verständnis für fremde Seelen, obwohl er kein
Psychologe ist wie Menni.
Gehen Sie zu ihm ins Labor, er wird sich darüber freuen und
Ihnen viel
Interessantes zeigen.«
    Da fiel mir ein, dass wir uns schon weit von der Erde entfernt
hatten. Ich wollte meine Heimat noch einmal sehen. Wir begaben uns in
einen Nebenraum mit großen Fenstern.
    »Fliegen wir nicht am Mond vorbei?« fragte
ich Netti.
    »Nein, der Mond liegt weit abseits von unserer Bahn,
und das ist
schade. Ich hätte den Mond auch gern näher
betrachtet. Von der Erde aus
kam er mir so merkwürdig vor. Groß, kalt,
behäbig, rätselhaft still,
ganz und gar nicht wie unsere beiden kleinen Monde, die am Himmel
dahineilen und rasch ihr Antlitz verändern wie lebhafte,
launische
Kinder. Allerdings ist Ihr Mond viel heller und sein Licht recht
angenehm. Heller ist bei Ihnen auch die Sonne, hier sind Sie von der
Natur bevorzugt. Ihre Welt ist doppelt so hell wie unsere, deshalb
brauchen Sie auch nicht solche riesigen Augen, um die schwachen
Strahlen einzufangen.«
    Wir saßen am Fenster. Die Erde erschien in der Ferne
als gigantische
Sichel. Zu erkennen waren der Westen Amerikas, der Nordosten Asiens und
ein Teil des Stillen Ozeans als trüber Fleck und des
Nördlichen
Eismeers als heller Fleck. Der gesamte Atlantische Ozean und die Alte
Welt lagen im Dunkeln und waren nur hinter dem verschwommenen
Sichelrand zu erraten, weil der unsichtbare Teil der Erde die Sterne
als ein Stück schwarzer Himmel verdeckte. Unsere Flugbahn und
die
Erdumdrehung hatten diesen Bildwechsel bewirkt.
    Ich schaute hinüber, und mir wurde traurig zumute,
weil ich nicht
mein Heimatland sah, wo es so viel Kampf und Leiden gab, wo ich noch
tags zuvor in den Reihen der Genossen gestanden hatte und wo jetzt auf
meinem Platz ein anderer stehen musste. In meiner Seele regten sich
Zweifel.
    »Dort unten wird Blut vergossen«, sagte ich,
»und hier befindet sich ein Revolutionär in der Rolle
eines stillen Beobachters.«
    »Das Blut wird um einer besseren Zukunft willen
vergossen«,
erwiderte Netti, »aber für den Kampf selbst muss man
die bessere
Zukunft auch kennen. Wegen dieser Aufgabe sind Sie hier.«
    In unwillkürlicher Rührung drückte
ich Nettis kleine, fast kindliche Hand.

8. Die Annäherung
    Die Erde entfernte sich immer mehr, und als ob sie vor
Trennungsschmerz abmagerte, verwandelte sie sich in eine mondartige
Sichel, die von der winzigen Sichel des echten Mondes begleitet wurde.
Gleichzeitig wurden wir alle im Sternschiff zu phantastischen
Akrobaten, die ohne Flügel bequem im Raum umherfliegen
konnten, in
waagerechter, senkrechter oder schräger Lage, ganz nach
Belieben.
Allmählich wurde ich mit meinen neuen Kameraden näher
bekannt, und ich
fühlte mich freier.
    Schon am zweiten Tag nach dem Abflug (wir behielten diese
Zeitrechnung bei, obwohl es für uns
    keine echten Tage und Nächte mehr gab) zog ich mir
aus eigenem

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