Der rote Planet
Antrieb einen Marsanzug an, um weniger aufzufallen. Allerdings gefiel
mir dieser Anzug auch, er war einfach, bequem, ohne alle nutzlosen
konventionellen Teile wie Krawatte und Manschetten, und er bot
größte
Bewegungsfreiheit. Die einzelnen Teile waren durch Verschlüsse
miteinander verbunden, so dass sich die Ärmel oder das
Oberteil leicht
abknöpfen und ausziehen ließen, wenn man das wollte.
Die Manieren
meiner Mitreisenden ähnelten diesem Anzug: Einfachheit,
Verzicht auf
alles überflüssige und Konventionelle. Sie
begrüßten und
verabschiedeten sich niemals, dankten nicht, zogen ein
Gespräch nicht
aus Höflichkeit in die Länge, wenn das Wesentliche
gesagt war, zugleich
gaben sie mit großer Geduld jede gewünschte
Erklärung, wobei sie sich
meinem Auffassungsvermögen anpassten und meine
Mentalität
berücksichtigten, wie fremd sie ihnen auch sein mochte.
Selbstverständlich begann ich vom ersten Tage an, die
Marssprache zu
erlernen, und alle übernahmen mit größter
Bereitwilligkeit die Rolle
eines Lehrers, am häufigsten von allen Netti. Die Sprache ist
sehr
originell, und trotz der einfachen Grammatik und Wortbildung gibt es in
ihr Besonderheiten, die mir schwer eingingen. Die Regeln kennen
überhaupt keine Ausnahme, man unterscheidet keine
männlichen,
weiblichen und sächlichen Substantive, alle Bezeichnungen von
Gegenständen und Eigenschaften aber werden nach Zeitformen
abgewandelt.
»Welchen Sinn haben diese Formen?« fragte
ich Netti.
»Begreifen Sie das nicht? In Ihren Sprachen
kennzeichnen Sie
Substantive als männlich und weiblich, was sehr unwichtig ist
und bei
unbelebten Gegenständen sogar ziemlich komisch wirkt. Um wie
viel
wichtiger ist der Unterschied zwischen Gegenständen, die
existieren,
und anderen, die es nicht mehr gibt oder die erst entstehen sollen. Die
Russen halten ein Haus für einen Mann, und ein Boot
für eine Frau, bei
den Franzosen ist es umgekehrt — und der Gegenstand selbst
ändert sich
nicht im mindesten. Aber wenn Sie von einem Haus sprechen, das
abgebrannt ist oder das Sie bauen wollen, gebrauchen Sie das Wort in
derselben Form, in der Sie von dem Haus sprechen, in dem Sie wohnen.
Gibt es denn einen größeren Unterschied als zwischen
einem Menschen,
der lebt, und einem Menschen, der gestorben ist? Sie brauchen
Wörter
und ganze Sätze, um diesen Unterschied auszudrücken
— ist es nicht
besser, das einfach zu kennzeichnen, indem man einen Buchstaben an das
Wort anfügt?«
Mit meinem Gedächtnis war Netti zufrieden, und da die
Lehrmethode
meiner Mentoren vorzüglich war, verstand ich bald die
Marssprache. Das
half mir, meinen Reisegefährten näher zu kommen
— ich bewegte mich mit
immer größerer Sicherheit im Sternschiff, ging in die
Kajüten und
Laboratorien und fragte nach allem, was mich bewegte.
Sternis Gehilfe, der junge Astronom Enno, ein munterer und
fröhlicher Bursche, war fast noch ein Kind. Er zeigte mir
viele
interessante Dinge, wobei er sich nicht so sehr an den Messungen und
Formeln begeisterte, die er wie ein echter Meister beherrschte, als
vielmehr an der Schönheit der beobachteten
Himmelskörper. Mir war wohl
ums Herz bei dem jugendlichen Astronomen und Poeten, und das
natürliche
Bedürfnis, sich im Weltraum zu orientieren, ließ mich
viel Zeit bei
Enno und seinen Teleskopen verbringen.
Einmal zeigte mir Enno den winzigen Planeten Eros, dessen
Umlaufbahn
teils zwischen Erde und Mars verläuft und teils im Gebiet der
Asteroiden liegt. Obwohl der Eros einhundertfünfzig Millionen
Kilometer
von uns entfernt war, ähnelte die Photographie unter dem
Mikroskop
einer Mondkarte. Natürlich ist der Eros ebenso öde
wie der Mond.
Ein andermal photographierte Enno einen Meteoritenschwarm, der
mehrere Millionen Kilometer entfernt an uns vorbeizog. Die Aufnahme
zeigte verständlicherweise nur ein Nebelgebilde. Bei der
Gelegenheit
erzählte mir Enno, dass ein Sternschiff, das zur Erde fliegen
wollte,
in einen solchen Schwärm geraten war. Die Astronomen, die das
Sternschiff durch die stärksten Teleskope verfolgten, hatten
nur
gesehen, wie sein elektrisches Licht erlosch.
»Wahrscheinlich haben mehrere Meteoriten mit riesiger
Geschwindigkeit die Wände des Sternschiffs durchbohrt. Die
Luft ist
ausgeströmt, und die Weltraumkälte hat die bereits
toten Körper der
Besatzung gefroren. Jetzt fliegt dieses Sternschiff auf einer
Kometenumlaufbahn, es
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