Der rote Planet
auf dem Mars befremdete und woran ich mich
am
schwersten gewöhnte, war die rote Farbe der Pflanzen. Ihr
Farbstoff
erfüllt die gleiche Aufgabe im Stoffwechsel wie bei uns das
Chlorophyll: Aus der Sonnenenergie und dem Kohlendioxid der Luft baut
er das Pflanzengewebe auf.
Der besorgte Netti empfahl mir eine Schutzbrille, damit meine
Augen
nicht von dem ungewohnten Anblick gereizt würden. Ich lehnte
das
Angebot ab. »Rot ist die Farbe unseres sozialistischen
Banners«,
erwiderte ich. »Ich muss mich an Ihre sozialistische Natur
gewöhnen.«
»Wenn Sie das so sehen, müssen Sie
zugestehen, dass auch in der
irdischen Flora der Sozialismus herrscht, nur in versteckter
Form«,
bemerkte Menni. »Die Blätter der irdischen Pflanzen
haben ebenfalls
einen roten Schimmer, der allerdings von dem kräftigeren
Grün übertönt
wird. Man braucht nur eine Brille aufzusetzen, deren Gläser
die grünen
Strahlen absorbieren und die roten durchlassen, und Ihre
Wälder und
Felder werden rot wie die unseren.«
Ich kann nicht Zeit und Raum vergeuden, um die originellen
Formen
der Pflanzen und Tiere auf dem Mars zu beschreiben. Die Luft ist rein
und ziemlich dünn, aber reich an Sauerstoff, der Himmel ist
hoch,
dunkel und von grünlicher Färbung, mit einer mageren
Sonne und zwei
winzigen Monden. Es leuchten auch zwei helle Abend- oder Morgensterne
—
die Venus und die Erde. All das war damals seltsam und fremdartig, und
jetzt, in verklärter Erinnerung, erscheint es mir
schön und lieb. Die
Menschen und ihre Beziehungen — das war das Wichtigste
für mich; in
dieser märchenhaften Umgebung waren die Menschen am
phantastischsten,
am rätselhaftesten.
Menni lebte in einem einstöckigen Haus, das sich
nicht von den
anderen unterschied. Das interessanteste Merkmal seiner Architektur war
das durchsichtige Dach aus riesigen blauen Glasscheiben. Unter dem Dach
lagen das Schlafzimmer und das Zimmer für Gespräche
mit Freunden. Die
Marsmenschen erholen sich bei blauem Licht wegen dessen beruhigender
Wirkung; den düsteren Schimmer, den diese Beleuchtung dem
menschlichen
Antlitz verleiht, empfinden sie nicht als unangenehm.
Die Arbeitsräume — das Labor, das Arbeits-
und das
Kommunikationszimmer — befanden sich in der unteren Etage;
große
Fenster ließen aufreizendes rotes Light herein, das vom hellen
Laub der
Parkbäume reflektiert wurde. Dieses Licht, das mich
anfänglich
beklommen und nervös machte, wirkt auf die Marsbewohner
anregend und
arbeitsfördernd.
In Mennis Arbeitszimmer waren viele Bücher und
verschiedenartige
Schreibgeräte, von einfachen Bleistiften bis zu einem
Druckphonographen. Dieser Apparat besteht aus einem komplizierten
Mechanismus; bei deutlicher Aussprache wird die Aufzeichnung des
Phonographen sogleich auf die Hebel einer Schreibmaschine
übertragen.
Dabei bleibt das Phonogramm vollständig erhalten, so dass man
es neben
dem gedruckten Text benutzen kann, je nachdem, was gerade bequemer ist.
ü ber Mennis Schreibtisch hing das Porträt
eines Mannes in mittleren
Jahren. Die Gesichtszüge ähnelten denen Mennis,
unterschieden sich
jedoch durch strenge Energie, kalte Entschlossenheit und einen fast
drohenden Ausdruck, der Menni fremd war. Auf Mennis Antlitz war nur
ruhige und feste Willenskraft zu lesen. Menni erzählte mir die
Geschichte des Mannes.
Es war ein Vorfahre Mennis, ein großer Ingenieur. Er
lebte zu der
Zeit, als die großen Kanäle gebaut wurden, lange vor
der sozialen
Revolution. Die grandiosen Arbeiten wurden nach seinem Plan organisiert
und unter seiner Leitung verrichtet. Sein Gehilfe, der ihm Ruhm und
Macht neidete, intrigierte gegen ihn. Ein Hauptkanal, bei dem
Hunderttausende arbeiteten, begann in einem sumpfigen, ungesunden
Gelände. Tausende starben an Krankheiten, und unter den
Arbeitern
schwelte Unmut. Während der Chefingenieur mit der
Marsregierung über
Pensionen für die Hinterbliebenen und die Invaliden
verhandelte,
agitierte der Gehilfe unter den Unzufriedenen. Er stachelte die
Arbeiter zu einem Streik auf. Sie forderten, den Kanal in einer anderen
Gegend zu bauen, was den ganzen Arbeitsplan zunichte gemacht
hätte, und
den Chefingenieur abzusetzen, was durchaus möglich gewesen
wäre. Als
der Chefingenieur alles erfuhr, bat er seinen Gehilfen zu sich und
tötete ihn auf der Stelle. Vor Gericht verzichtete er auf jede
Verteidigung, sondern erklärte lediglich, er habe richtig
Weitere Kostenlose Bücher