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Der rote Planet

Titel: Der rote Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander A. Bogdanow
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vor der
kalten Nacht zu schützen. Das ist eine Besonderheit aller
Marspflanzen.
Ich kam auf unser Gespräch zurück.
    »Welche Gattungen der schönen Literatur
werden bei Ihnen jetzt gepflegt?«
    »Dramen, besonders Tragödien, und
Naturlyrik«, antwortete Enno.
    »Worin besteht der Inhalt dieser Tragödien?
Wo finden Sie in Ihrem glücklichen, friedlichen Leben die
Stoffe?«
    »Glücklich? Friedlich? Wie kommen Sie
darauf? Bei uns herrscht
Frieden unter den Menschen, das ist wahr, aber kein Frieden mit der
elementaren Natur. Den kann es auch nicht geben. Die Natur ist ein
Feind, der immer von neuem besiegt werden muss. In jüngster
Zeit haben
wir die Ausbeutung unserer Bodenschätze verzehnfacht; die
Einwohnerzahl
wächst, und noch unvergleichbar schneller wachsen die
Bedürfnisse. Die
Gefahr, dass die natürlichen Reserven versiegen, war auf
manchen
Gebieten schon akut. Bisher haben wir diese Gefahr überwinden
können,
ohne das Leben verkürzen zu müssen —
unseres und das unserer Nachkommen
—, aber jetzt wird dieser Kampf besonders ernst.«
    »Bestehen denn bei Ihren technischen und
wissenschaftlichen
Voraussetzungen solche Gefahren? Sie sagen, das hätte es in
Ihrer
Geschichte schon mehrmals gegeben?«
    »Vor siebzig Jahren, als die
Steinkohlenvorräte versiegten und der
übergang zu Wasserkraft und elektrischer Energie
längst nicht vollendet
war, mussten wir einen großen Teil unserer Wälder
abholzen, um die
Maschinen umzurüsten. Das hat den Planeten auf Jahrzehnte
verschandelt
und das Klima verschlechtert. Als wir von dieser Krise genesen waren,
gingen vor zwanzig Jahren die Eisenerze zur Neige. Eiligst wurden harte
Aluminiumlegierungen erforscht, und ein Großteil der
technischen Kräfte
wurde für die Aluminiumgewinnung verwandt. Dazu brauchten wir
viel
elektrische Energie. Jetzt droht uns in dreißig Jahren ein
Nahrungsmangel, wenn bis dahin die Eiweißsynthese nicht
gelingt«
    »Und andere Planeten?« wandte ich ein.
»Können Sie dort nicht finden, was dem Mangel
abhilft?«
    »Wo? Die Venus ist uns offenbar noch
unzugänglich. Die Erde? Sie hat
ihre Menschheit, und bisher ist nicht geklärt, wieweit wir
ihre
Reserven nutzen könnten. Für den Flug dorthin
verbrauchen wir jedes Mal
viel Energie, und die Vorräte an radioaktivem Material, um sie
zu
erzeugen, sind auf dem Mars sehr gering. Das hat mir Menni neulich
erklärt. Nein, die Schwierigkeiten sind überall
bedeutend, und je enger
unsere Menschheit ihre Reihen schließt, um die Natur zu
besiegen, um so
enger verbünden sich auch die Naturkräfte, um sich zu
rächen.«
    »Es würde doch genügen, die
Geburtenzahl zu verringern«, entgegnete ich.
    »Die Geburtenzahl verringern? Das wäre doch
der Sieg der
Naturkräfte. Das wäre die Absage an das grenzenlose
Wachstum des
Lebens, wir würden auf der nächsten Stufe stehen
bleiben. Denn wir
siegen, solange wir angreifen. Wenn wir auf ein Anwachsen unserer Armee
verzichten, werden uns die Naturkräfte bald von allen Seiten
belagern.
Dann sinkt der Glaube an unsere kollektive Kraft, an unser
großes
gemeinsames Lebensziel. Und mit diesem Glauben wird auch der Lebenssinn
jedes einzelnen verloren gehen, weil in jedem von uns, den kleinen
Zellen eines großen Organismus, das Ganze lebt, und jeder lebt
in
diesem Ganzen. Nein! Die Geburtenzahl zu senken wäre das
letzte, wozu
wir uns entschlössen, und wenn das ohne unseren Willen
geschieht, ist
das der Anfang vom Ende.«
    »Nun gut, ich verstehe, dass die Tragik des Ganzen
stets existiert,
wenigstens als drohende Möglichkeit. Vorläufig aber
siegt noch die
Menschheit, und der einzelne ist vor dieser Tragödie
ausreichend
geschützt; selbst wenn eine direkte Gefahr einträte,
würden die
gigantischen Anstrengungen und Leiden so gleichmäßig
auf zahllose
Personen verteilt, dass ihr ruhiges Glück nicht ernsthaft
gestört
würde. Und für ein solches Glück gibt es
hier alles, was man dazu
braucht.«
    »Ruhiges Glück! Kann denn der einzelne nicht
stark und tief die
Erschütterungen des Ganzen spüren? Und entstehen
nicht klaffende
Widersprüche im Leben allein aus der Begrenztheit des
Einzelwesens im
Vergleich zum Ganzen, aus der Unmöglichkeit, völlig
mit dem Ganzen zu
verschmelzen, dieses Ganze mit seinem Bewusstsein vollständig
zu
erfassen? Sind Ihnen diese Widersprüche
unverständlich? Das kommt
daher, dass sie in Ihrer Welt von anderen,

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