Der rote Planet
eine wunderbare neue
Welt.
2. Der Abschied
Und dennoch kam der Tag, an den ich nicht ohne
Verwünschungen denken
kann. Der schwarze Schatten der unvermeidlichen, verhassten Trennung
legte sich zwischen Netti und mich.
Mit ruhiger Miene erklärte Netti, sie müsse
mit einer großen
Expedition, die unter Mennis Leitung ausgerüstet worden war,
auf die
Venus fliegen. Als sie sah, wie verstört ich auf diese
Nachricht
reagierte, fügte sie hinzu: »Die Trennung wird nicht
lange dauern. Bei
einem Erfolg, an dem ich nicht zweifle, kehrt ein Teil der Expedition
sehr bald zurück — darunter auch ich.«
Dann erläuterte sie mir, worum es ging. Auf dem Mars
versiegten die
Vorräte an radioaktiver Materie, die als Treibstoff
für interplanetare
Flüge und als Energie zur Zerlegung und Synthese aller
Elemente diente.
Es gab kein Mittel, diese Materie zu regenerieren. Die Venus, die
viermal jünger ais der Mars ist, hatte nach unzweifelhaften
Anzeichen
riesige Radiumlager. Auf einer Insel, die inmitten des
größten Ozeans
lag und von den Marsbewohnern den Namen »Insel der
heißen Stürme«
erhalten hatte, waren die reichsten Funde entdeckt worden, und dort
wollte man unverzüglich mit dem Abbau beginnen. Zuerst musste
man
jedoch sehr hohe und feste Mauern errichten, um die Arbeiter vor dem
feuchten und heißen Wind zu schützen, der in seiner
Heftigkeit die
Sandstürme in unseren Wüsten weit
übertrifft. Deshalb brauchte man eine
Expedition von zehn Sternschiffen mit fast zweitausend Menschen,
darunter nur hundert Chemiker, die anderen waren Bauspezialisten. Die
besten Wissenschaftler und die erfahrensten Ärzte wurden
hinzugezogen,
denn gesundheitsschädlich waren neben dem Klima auch die
Strahlen der
radioaktiven Materie. Netti erklärte, sie hätte sich
nicht weigern
können, an der Expedition teilzunehmen. Man beabsichtigte
jedoch, bei
gutem Gelingen der Arbeiten schon nach drei Monaten ein Sternschiff mit
Nachrichten und gewonnenem Material zurückzuschicken. Mit
diesem
Sternschiff sollte auch Netti heimkehren, sie würde also nur
zehn bis
elf Monate fort sein.
Ich konnte nicht verstehen, warum Netti unbedingt mitfliegen
musste.
Sie sagte mir, das Unternehmen sei äußerst wichtig,
und es sei auch für
meine Aufgabe von großer Bedeutung, da ein Erfolg
häufige Flüge zur
Erde ermögliche. Jeder Fehler bei der medizinischen Betreuung
aber
könne die Expedition von Anfang an scheitern lassen. Ali das
klang
überzeugend — ich hatte schon erfahren, dass Netti
als bester Arzt für
Fälle galt, die den Rahmen bisheriger medizinischer Erfahrung
sprengten
—, und dennoch schien das nicht alles zu sein. Etwas blieb
unausgesprochen.
An einem zweifelte ich nicht — an Netti und ihrer
Liebe. Wenn sie
sagte, sie müsse fliegen, so war das notwendig. Und wenn sie
mir den
Grund nicht anvertraute, durfte ich sie nicht ausfragen. Ich sah Angst
und Schmerz in ihren herrlichen Augen, als sie sich einmal unbeobachtet
glaubte.
»Enno wird dir eine gute Freundin sein«,
sagte Netti mit traurigem
Lächeln, »und vergiss Nella nicht, sie liebt dich
meinetwegen. Nella
ist klug und erfahren, sie wird dir in schweren Stunden beistehen. Du
darfst nur an das eine denken: dass ich bald wiederkomme.«
»Ich glaube an dich, Netti«, sagte ich,
»und deshalb glaube ich an mich, den Mann, den du
liebst.«
»Du hast recht, Lenni. Ich bin überzeugt,
dass du dir bei allen
Schicksalsschlägen und Katastrophen treu bleiben wirst, du
wirst
stärker und reiner daraus hervorgehen.«
Unsere Liebkosungen beim Abschied waren von Zukunftsangst
überschattet, Netti weinte.
3. Die Kleiderfabrik
In den wenigen Monaten gelang es mir mit Nettis Hilfe, mich
auf
meine eigentliche Aufgabe vorzubereiten — ein
nützliches Mitglied der
Marsgesellschaft zu sein. Ich lehnte bewusst alle Angebote ab,
Vorträge
über die Erde und ihre Menschen zu halten. Es wäre
unvernünftig
gewesen, meine Zeit damit zu vergeuden, denn die Vergangenheit haftete
mir ohnehin an, während ich die Zukunft erobern musste. Ich
beschloss,
in einer Fabrik zu arbeiten, und wählte nach
gründlichen Erwägungen
zunächst eine Kleiderfabrik.
Natürlich hatte ich mir beinahe das Leichteste
ausgesucht. Aber auch
hierfür bedurfte es ernsthafter Vorbereitungen. Ich musste die
wissenschaftlichen Prinzipien der Arbeitsorganisation studieren, mich
speziell mit der Fabrik vertraut machen, in
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