Der rote Planet
angebracht, so dass fertige
Kleidungsstücke entstehen —
mehrere tausend Muster, unterschiedlich in Form und Maß.
Für jedes Alter gibt es Hunderte von Mustern, aus
denen jeder das
Passende auswählen kann, zumal die Kleidung auf dem Mars sehr
zwanglos
ist. Wer wegen seiner Körpermaße nichts Passendes
findet, lässt sich
Maß nehmen, und eine Zuschneidemaschine wird eingerichtet. Es
wird
speziell für eine bestimmte Person
»genäht«, was ungefähr eine Stunde
dauert.
Was die Farbe der Kleidung betrifft, so begnügen sich
die meisten
Marsmenschen mit den üblichen dunklen oder gedeckten
Tönen, in denen
der Stoff hergestellt wird. Wird eine andere Farbe gebraucht, schickt
man das Kleidungsstück in die Färberei, wo es in
wenigen Minuten mit
Hilfe elektrochemischer Verfahren die gewünschte Nuance
erhält, ideal
gleichmäßig und ideal dauerhaft.
Aus ebensolchen, nur festeren und dauerhafteren Geweben und
mit
ähnlichen Methoden wird Schuhwerk und warme Winterkleidung
hergestellt.
Unsere Fabrik befasst sich nicht damit, aber andere, noch
größere Werke
produzieren alles, was nötig ist, um einen Menschen von Kopf
bis Fuß
einzukleiden.
Ich arbeitete hintereinander in allen Abteilungen und war
anfangs
von meiner Tätigkeit sehr begeistert. Besonders interessant
war es in
der Zuschneiderei, wo ich neuartige Methoden der mathematischen Analyse
anwenden musste. Die Aufgabe bestand darin, mit geringstem
Materialverlust aus einem Stoffstück alle Teile eines Anzugs
herauszuschneiden. Das war eine prosaische, jedoch sehr ernste Aufgabe,
weil selbst der kleinste Fehler, viele Millionen Male wiederholt, einen
riesigen Verlust bewirkt. Die erfolgreiche Lösung gelang mir
»nicht
schlechter« als anderen.
»Nicht schlechter« als andere zu arbeiten
— danach strebte ich mit
allen Kräften, und das gelang mir auch. Aber ich musste auch
einsehen,
dass mich das weit mehr Anstrengung kostete als andere Arbeiter. Nach
den üblichen vier bis sechs Arbeitsstunden (nach irdischer
Rechnung)
war ich erschöpft, und ich brauchte Erholung, während
sich meine
marsianischen Kollegen in Museen, Bibliotheken, Laboratorien oder in
andere Fabriken begaben. Hier beobachteten sie die Produktion und
arbeiteten manchmal sogar weiter.
Ich hoffte, mich an die neue Arbeit zu gewöhnen und
mich dann mit
allen Arbeitern messen zu können. Aber das war nicht so. Immer
mehr
musste ich einsehen, dass es mir an der Fähigkeit zur
Konzentration
mangelte. Körperliche Leistung wurde nur wenig verlangt, an
Schnelligkeit und Gewandtheit stand ich anderen nicht nach,
übertraf
sogar viele. Aber ich musste ununterbrochen und konzentriert auf
Maschinen und Material achten, was mir sehr schwer fiel. Offenbar
entwickelt sich diese Fähigkeit erst im Laufe mehrerer
Generationen in
dem Maße, wie es auf dem Mars als gewohnt und üblich
gilt.
Wenn gegen Ende meines Tagewerks die Ermüdung schon
spürbar wurde
und die Aufmerksamkeit nachließ, machte ich Fehler und
zögerte bei
manchen Handgriffen. Diese Fehler wurden von meinen Nachbarn
unverzüglich korrigiert.
Mich verblüffte ihre seltsame Fähigkeit,
alles ringsum zu bemerken,
ohne von ihrer Arbeit aufzublicken. Ihre Umsicht rührte mich
weniger,
als dass ich darüber ärgerlich und gereizt wurde. Ich
hatte das Gefühl,
alle würden mich ständig beobachten. Das steigerte
noch meine
Zerstreutheit und verdarb meine Arbeit.
Wenn ich jetzt, nach langer Zeit, leidenschaftslos alle
Umstände
bedenke, meine ich, dass ich das nicht richtig wahrgenommen habe. Mit
der gleichen Umsicht und auf völlig gleiche Weise - vielleicht
nur
weniger häufig — halfen sich die Fabrikkollegen
untereinander. Ich
wurde nicht extra überwacht und kontrolliert, wie ich damals
glaubte.
Ich selber - ein Mensch der individualistischen Welt — habe
mich
unbewusst von den anderen abgesondert, und ich habe die Güte
und die
kameradschaftlichen Dienste, die ich nicht vergelten konnte, wie ich
als Mensch einer Warenwelt dachte, krankhaft unnatürlich
aufgefasst.
4. Enno
Der lange Herbst verging, und in unserem Gebiet, den mittleren
Breiten der nördlichen Halbkugel, herrschte Winter, schneearm,
aber
kalt. Die kleine Sonne wärmte nicht und schien weniger als
sonst. Die
Natur hatte ihre grellen Farben abgelegt, sie war blass und rauh
geworden. Die Kälte kroch ins Herz, Zweifel kamen in meiner
Seele auf,
und weil ich ein Fremder
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