Der rote Planet
preisgegeben. Die
überlebende Minderheit würde innerhalb der
übrigen irdischen Menschheit
zu fanatischen Agitatoren gegen uns.
Dann müssten wir den Kampf trotzdem fortsetzen. Unser
gesamtes
irdisches Gebiet müsste in ein ständig
geschütztes Militärlager
verwandelt werden. Die Furcht vor weiteren Eroberungen unsererseits und
der Hass auf uns würden alle Anstrengungen der irdischen
Stämme darauf
richten, Kriege gegen uns vorzubereiten. Schon jetzt sind ihre Waffen
vollkommener als ihre Arbeitsinstrumente, dann wird die Entwicklung der
Kriegstechnik noch schneller voranschreiten. Zugleich werden sie
Gelegenheit zu unverhofften kriegerischen überfällen
suchen, und wenn
ihnen das gelingt, werden wir unersetzliche Verluste erleiden, selbst
wenn wir siegen. Außerdem ist es durchaus nicht
ausgeschlossen, dass
sie auf irgendeine Weise erfahren, wie unsere Hauptwaffe funktioniert.
Radioaktives Material ist ihnen schon bekannt, und die Methode des
beschleunigten Zerfalls kann entweder durch Spionage erkundet oder
sogar von ihren Wissenschaftlern selbständig entdeckt werden.
Wer bei
dieser Waffe seinem Gegner um wenige Minuten zuvorkommt, vernichtet ihn
unweigerlich, und höheres Leben ist in dem Falle ebenso leicht
zu
vertilgen wie niedere Lebensformen. Wie würden unsere Siedler
bei
diesen Gefahren und in dieser ständigen Angst leben? Ihnen
wären nicht
nur alle Lebensfreuden vergällt, sondern der Mensch selbst
würde
degenerieren und pervertieren. Allmählich würden
unsere Menschen von
Argwohn, überängstlichkeit, egoistischem
Selbsterhaltungstrieb und der
damit unzertrennlich verbundenen Grausamkeit innerlich
zerstört. Unsere
Kolonie würde zu einer militärischen Republik
inmitten besiegter,
feindlich gesonnener Stämme. Wiederholte
überfälle, die Opfer kosten,
würden nicht nur Rache und Wut erzeugen, sondern sie
würden unsere
Siedler auch objektiv dazu zwingen, von der Selbstverteidigung zu
rücksichtslosem Angriff überzugehen. Und
schließlich ständen wir nach
langem Zögern und qualvollem Kräfteveflust
unvermeidlich vor der
Entscheidung, die wir als bewusste Wesen, die den Gang der Ereignisse
voraussehen, von Anfang an treffen müssen: Die Kolonisation
der Erde
erfordert die völlige Ausmerzung der
Erdbevölkerung.«
(Unter den Hunderten von Zuhörern erklang ein Raunen
des Entsetzens,
von dem sich der laute Protestruf Nettis abhob. Als es im Saal wieder
still war, fuhr Sterni ungerührt fort.)
»Wir müssen die zwingende Notwendigkeit
begreifen und ihr fest ins
Auge sehen, so hart das auch ist. Uns bleibt nur die Wahl: Entweder
Stillstand bei der Entwicklung unseres Lebens oder Vernichtung der uns
fremden Wesen auf der Erde. Einen dritten Weg gibt es nicht.
(Zwischenruf Nettis: »Falsch!«) Ich weiß,
was Netti im Sinn hat, wenn
sie gegen meine Worte protestiert, und erwäge jetzt die dritte
Möglichkeit, die sie vorschlägt.
Netti denkt an die sozialistische Umerziehung der
Erdbevölkerung.
Diesen Plan haben wir alle noch unlängst gehegt, jetzt aber
müssen wir
ihn aufgeben. Wir wissen inzwischen genug über die
Erdenmenschen, um
das Illusionäre dieser Idee zu erkennen.
Die fortgeschrittensten Völker befinden sich
ungefähr auf der
gleichen Kulturstufe wie unsere Vorfahren beim Bau der großen
Kanäle.
Auf der Erde herrscht ebenfalls das Kapital, und es gibt ein
Proletariat, das für den Sozialismus kämpft. Danach
zu urteilen, könnte
man denken, eine Revolution, die das System der organisierten Gewalt
beseitigt und die Möglichkeit zu einer freien und schnellen
Entwicklung
menschlichen Lebens schafft, sei nicht mehr fern. Der irdische
Kapitalismus besitzt jedoch wichtige Besonderheiten, die eine solche
Revolution erschweren.
Einerseits ist die irdische Welt politisch und national
schrecklich
zersplittert, so dass der Kampf für den Sozialismus kein
einheitlicher
und geschlossener Prozess in einer Gesamtgesellschaft ist, sondern es
gibt eine ganze Reihe eigenständiger Prozesse in einzelnen
Gesellschaften, die durch staatliche Organisation, Sprache und manchmal
auch durch Rasse voneinander getrennt sind. Andererseits sind die
Formen des sozialen Kampfes auf der Erde weitaus gröber und
mechanischer als seinerzeit bei uns, und eine unvergleichlich
große
Rolle spielt unmittelbare materielle Gewalt, verkörpert durch
Armeen
und bewaffnete Aufstände.
Somit ist die soziale Revolution sehr
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