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Der rote Planet

Titel: Der rote Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander A. Bogdanow
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gegen das
Proletariat aufzuhetzen, weil die ehemaligen kleinen
Eigentümer ihrem
Wesen nach konservativ und teilweise sogar reaktionär sind,
sie
empfinden jeglichen schnellen Fortschritt als unnatürlich. Das
fortschrittliche Proletariat, von erbosten, rücksichtslosen
Feinden
umringt— ihnen werden sich auch breite Schichten ideologisch
zurückgebliebener Proletarier zugesellen —, befindet
sich dann in
derselben unerträglichen Lage, in die unsere Kolonisten
inmitten
besiegter Erdenstämme geraten würden. Es wird
zahllose überfälle,
Pogrome, Metzeleien geben — und vor allem wird das
Proletariat nicht
mehr imstande sein, die Umgestaltung der gesamten Gesellschaft zu
leiten. Wiederum würde unsere Einmischung die soziale
Revolution nicht
näher bringen, sondern hinauszögern.
    Der Zeitpunkt dieser Revolution bleibt also ungewiss, und es
kommt
uns nicht zu, ihn bald herbeizuführen. Jedenfalls
müssten wir darauf
viel länger warten, als wir könnten. Schon in
dreißig Jahren werden wir
einen Bevölkerungsüberschuss von fünfzehn
bis zwanzig Millionen haben,
der danach jedes Jahr um weitere zwanzig bis fünfundzwanzig
Millionen
wachsen wird. Wir müssen rechtzeitig mit der Umsiedlung
beginnen, sonst
werden unsere Kräfte und Mittel nicht ausreichen, um sie in
den
notwendigen Ausmaßen durchzuführen.
    Außerdem ist es mehr als zweifelhaft, dass wir selbst
mit einer
sozialistischen irdischen Menschheit friedlich auskämen, falls
die
Revolution unerwartet bald einträte. Wie ich schon gesagt
habe, wird
das in vielem nicht unser Sozialismus sein.
    Die Jahrhunderte nationaler Zersplitterung, gegenseitigen
Unverständnisses, harter und blutiger Kämpfe
hinterlassen für lange
Zeit tiefe Spuren in der Psyche der befreiten irdischen Menschheit; und
wir wissen nicht, wie viel Barbarei und Engstirnigkeit in der neuen
sozialistischen Gesellschaft zu finden sein werden.
    Aus eigener Anschauung können wir sehen, wie sehr
sich die Psyche
der Erdenmenschen selbst bei deren besten Vertretern von der unseren
unterscheidet. Wir haben beim letzten Experiment einen Sozialisten von
der Erde mitgebracht, einen Mann, der sich in seinem Milieu durch
seelische Kraft und körperliche Gesundheit auszeichnete. Und
was ist
geschehen? Unser Leben ist ihm dermaßen fremd, es steht in
einem
solchen Widerspruch zu seiner inneren Struktur, dass nur wenig Zeit
vergangen ist, und er ist schon an tiefer psychischer
Zerrüttung
erkrankt.
    So ergeht es einem der Besten, den Menni selber unter vielen
ausgewählt hat. Was können wir von den anderen
erwarten?
    Also bleibt dasselbe Dilemma: Entweder unseren
Bevölkerungszuwachs
aufhalten und damit unsere gesamte Entwicklung schwächen oder
die Erde
kolonisieren, nachdem die dortige Menschheit ausgemerzt wurde.
    Ich spreche vom Ausmerzen der gesamten Menschheit, weil wir
selbst
für ihre sozialistische Avantgarde keine Ausnahme machen
können.
Erstens gibt es keinerlei technische Möglichkeiten, bei der
allgemeinen
Vernichtung diese kleine Avantgarde aus der übrigen
Bevölkerung
auszusondern. Und zweitens — wenn es uns gelänge,
die Sozialisten am
Leben zu erhalten, würden sie selber einen erbitterten,
gnadenlosen
Kampf gegen uns beginnen, in dem sie sich bis zur völligen
Ausrottung
opfern würden. Sie würden sich niemals mit der
Ermordung von vielen
hundert Millionen Menschen abfinden, Menschen, die ihnen
ähneln und mit
denen sie viele enge Bande verbinden. Beim Zusammenprall zweier Welten
darf es keine Kompromisse geben.
    Wir müssen wählen. Und ich sage: Wir
können nur das eine wählen.
    Höheres Leben darf nie für niederes geopfert
werden. Unter den
Erdenmenschen finden sich nicht einmal ein paar Millionen, die bewusst
nach einer wahrhaft menschlichen Lebensform streben. Um dieser
embryonalen Menschen willen können wir nicht auf die
Möglichkeit
verzichten, Dutzende, vielleicht Hunderte Millionen Menschen unserer
Welt zu gebären — Menschen in unvergleichlich
höherem Sinne dieses
Wortes. Und wir werden nicht einmal grausam handeln, weil wir die
Erdenmenschen mit viel geringeren Leiden vertilgen, als sie einander
selber ständig zufügen.
    Das Leben im Universum ist ein einheitliches Ganzes. Und
für dieses
Leben wird es kein Verlust, sondern eine Errungenschaft sein, wenn sich
auf der Erde anstelle eines noch fernen, halbbarbarischen Sozialismus
bald unser Sozialismus entfalten wird,

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