Der rote Planet
die ich ohne Netti
fühlte. Mehr als
früher war ich davon überzeugt, dass es für
Nettis Teilnahme an der
Expedition noch unbekannte Gründe gab, stärkere und
wichtigere Motive
als diejenigen, die sie mir angeführt hatte. Der neue Beweis
ihrer
Liebe und die gewaltige Bedeutung, die Netti meiner Mission bei der
Annäherung zweier Welten beimaß, bestätigten
mir, dass sie sich nicht
ohne außergewöhnliche Beweggründe
entschlossen hatte, mich für lange
Zeit inmitten der Untiefen und Riffe des Ozeans eines mir fremden
Lebens zurückzulassen. Mit ihrem hellen Verstand wusste sie
besser als
ich, welche Gefahren mir hier drohten. Es gab etwas, was man mir
verheimlicht hatte, und es musste mich direkt betreffen. Ich musste es
um jeden Preis erfahren.
Ich beschloss, durch systematische überlegungen zur
Wahrheit
vorzudringen. Einige zufällige und ungewollte Andeutungen und
der
besorgte Ausdruck, den ich vor langer Zeit auf ihrem Gesicht erhascht
hatte, als sie von den Expeditionen zu anderen Planeten sprach,
brachten mich zu dem Schluss, dass sich Netti nicht später als
in den
ersten Tagen unserer Ehe zu der Reise entschlossen hatte. Die Ursachen
waren also in den Ereignissen jener Zeit zu suchen.
Sie konnten mit privaten Angelegenheiten Nettis oder mit der
Expedition zusammenhängen. Das erstere erschien mir nach
Nettis Brief
weniger wahrscheinlich. Folglich musste ich meine Ermittlungen darauf
richten, die Vorgeschichte der Expedition zu erkunden.
Selbstverständlich war die Expedition von der
»Kolonialgruppe«
beschlossen worden. So hieß ein Gremium, das aktiv an der
Organisation
interplanetarer Reisen mitwirkte. Außer Wissenschaftlern
bestand es aus
Vertretern der Statistikzentrale und aller Werke, die Sternschiffe und
Ausrüstungen für solche Reisen lieferten. Die letzte
Tagung der
»Kolonialgruppe« hatte während meiner
Krankheit stattgefunden. Menni
und Netti hatten an den Sitzungen teilgenommen. Da ich damals schon
genas und mich allein langweilte, wollte ich ebenfalls zu der Tagung
fliegen, aber Netti sagte mir, das wäre für meinen
Gesundheitszustand
gefährlich. Hing etwa diese »Gefahr« mit
etwas zusammen, das ich nicht
wissen durfte? Also musste ich die Protokolle der Tagung daraufhin
genau prüfen.
Aber hier stieß ich auf Schwierigkeiten. In der
Bibliothek gab man
mir lediglich die Tagungsbeschlüsse. Bis ins einzelne war die
gesamte
Organisation des grandiosen Unternehmens dargelegt, aber ich fand
nichts, was für mich interessant gewesen wäre. Das
befriedigte mich
keinesfalls. Bei aller Ausführlichkeit waren die
Beschlüsse ohne
jegliche Begründung abgedruckt, ohne Hinweise auf die
vorherigen
Beratungen. Als ich dem Bibliothekar sagte, dass ich die
Tagungsprotokolle benötige, erklärte er mir, es
wären keine gedruckt
worden, ja es gäbe gar keine ausführlichen
Aufzeichnungen, das sei bei
technischen Beratungen nicht üblich.
Auf den ersten Blick erschien das wahrscheinlich. Die
Marsbewohner
veröffentlichen tatsächlich meist nur die
Beschlüsse ihrer Beratungen,
weil sie meinen, jede vernünftige und nützliche
Meinungsäußerung würde
sich entweder in dem angenommenen Beschluss widerspiegeln oder sie
würde vom Autor weitaus besser und ausführlicher als
in einer kurzen
Rede in einem Artikel, einer Broschüre oder einem Buch
publiziert. Man
druckt nicht gern Dickleibige Bücher, und etwas
Ähnliches wie unsere
vielbändigen »Sitzungsberichte« wird man
vergeblich suchen, stets wird
nur der Extrakt publiziert. Aber in dem Falle glaubte ich dem
Bibliothekar nicht. Auf der Tagung waren zu bedeutsame Dinge
erörtert
worden, als dass man das wie gewöhnliche Debatten
über irgendein
technisches Problem behandelt hätte; es mussten also
Protokolle
vorhanden sein.
Ich bemühte mich jedoch, mein Misstrauen zu
verbergen, und um
jeglichen Verdacht von mir abzulenken, vertiefte ich mich
geflissentlich in die Lektüre der Beschlüsse,
während ich in Wahrheit
mein weiteres Vorgehen überlegte.
In der Buchabteilung konnte ich offenbar nicht finden, was ich
brauchte. Entweder gab es tatsächlich keine schriftlichen
Protokolle,
oder der Bibliothekar sollte sie vor mir verstecken. Es blieb die
phonographische Abteilung.
Dort mussten sich die Protokolle selbst dann befinden, wenn
sie
nicht gedruckt worden waren. Der Phonograph ersetzt auf dem Mars oft
den Stenographen, und in den Archiven
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