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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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ausgestreckt, um mit seinem Körper soviel von der Erde zu berühren, wie er nur konnte.
    »Es tut mir leid«, flüsterte Geschichtentauscher. »Ich war im Unrecht, so etwas zu sagen.«
    »Lolla-Wossiky!« .rief Ta-Kumsaw. »Ich wollte nicht recht behalten, mein Bruder!«
    »Ist er am Leben?« fragte Geschichtentauscher.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Ta-Kumsaw. Er drehte den Kopf, um die Wange gegen das Gras zu pressen; seine Blicke jedoch durchbohrten Geschichtentauscher, als wollte er ihn damit töten. »Geschichtentauscher, diese Worte, die Ihr gesagt habt – was haben sie zu bedeuten? Was habt Ihr gesehen?«
    »Ich habe nichts gesehen«, sagte Geschichtentauscher. Und dann fuhr er fort, obgleich er die Wahrheit seiner Worte erst durch das Sprechen selbst erfuhr: »Es war Alvins Vision, von der ich gesprochen habe. Es war, was er schaute. Meine Brüder und mein Vater gehen voran, die Himmel befleckt von menschlichem Blute. Es war seine Vision und mein Gedicht.«
    »Und wo ist der Junge?« fragte Ta-Kumsaw. »Die ganze Nacht hat er auf dem Hügel verbracht, und wo ist er jetzt?« Ta-Kumsaw sprang auf, er richtete sich nach dem Achtgesichtigen Hügel aus. »Niemand verbringt dort die ganze Nacht, und nun ist die Sonne schon aufgegangen und er ist nicht wieder zurückgekehrt.« Abrupt wandte sich Ta-Kumsaw Geschichtentauscher zu. »Er kann nicht herunterkommen.«
    »Was meint Ihr damit?«
    »Er braucht mich«, erklärte Ta-Kumsaw. »Ich kann es spüren. Eine schreckliche Wunde ist in ihm. Seine ganze Kraft verblutet in die Erde.«
    »Was ist dort auf dem Hügel? Was hat ihn verwundet?«
    »Wer weiß schon, was ein weißer Junge im Inneren des Hügels findet?« erwiderte Ta-Kumsaw. Dann wandte er sich wieder dem Hügel zu, als spürte er einen neuen Ruf. »Ja«, sagte er, und dann ging er schnell auf den Hügel.
    Geschichtentauscher folgte ihm, ohne ein Wort über den Widerspruch des ganzen zu verlieren – den Widerspruch, der darin bestand, daß Ta-Kumsaw geschworen hatte, Krieg gegen die Weißen zu führen, bis alle entweder tot waren oder sein Land verlassen hatten, um dann doch zum Achtgesichtigen Hügel zurückzueilen, um einen weißen Jungen zu retten.
    Gemeinsam blieben sie an der Stelle stehen, wo Alvin seinen Aufstieg begonnen hatte.
    »Könnt Ihr die Stelle sehen?« fragte Geschichtentauscher.
    »Da ist kein Pfad«, antwortete Ta-Kumsaw.
    »Aber gestern habt Ihr ihn doch gesehen«, warf Geschichtentauscher ein.
    »Gestern gab es auch noch einen Pfad.«
    »Dann muß es einen anderen Weg geben«, entschied Geschichtentauscher. »Euren eigenen Weg auf den Hügel.«
    »Ein anderer Weg würde mich nicht zur selben Stelle führen.«
    »Komm schon, Ta-Kumsaw, der Hügel ist zwar groß, aber doch nicht so groß, daß Ihr dort oben jemanden nicht finden würdet, wenn Ihr nur eine Stunde nach ihm sucht.«
    Ta-Kumsaw musterte Geschichtentauscher nur verächtlich.
    Eingeschüchtert sprach Geschichtentauscher schon weniger zuversichtlich weiter. »Man muß also immer denselben Weg nehmen, um zum selben Ort zu gelangen?«
    »Woher soll ich das wissen?« fragte Ta-Kumsaw. »Ich habe noch nie davon gehört, daß jemand den Hügel emporgestiegen ist und daß ein anderer ihm auf demselben Pfad gefolgt wäre.«
    »Geht ihr denn nie zu zweit oder zu dritt hinauf?«
    »Dies ist der Ort, wo das Land zu allen Wesen spricht, die hier leben. Die Sprache des Landes sind das Gras und die Bäume; seine Zier sind die Tiere und Vögel.«
    Geschichtentauscher bemerkte, daß Ta-Kumsaw das Englische wie ein weißer Mann beherrschte, wenn er wollte. Nein, wie ein gebildeter Weißer. Zier. Wo hätte er im Hio-Land ein solches Wort lernen können? »Wir können also nicht hinauf?«
    Ta-Kumsaws Miene blieb ausdruckslos.
    »Nun, ich sage, wir sollten dennoch hinauf. Wir wissen, welchen Weg er genommen hat – also nehmen wir ihn auch, ob wir ihn sehen können oder nicht.«
    Ta-Kumsaw antwortete nicht.
    »Wollt Ihr etwa nur dastehen und ihn dort oben sterben lassen?«
    Zur Antwort trat Ta-Kumsaw einen Schritt vor, so daß er Gesicht an Gesicht – nein, Brust an Brust – vor Geschichtentauscher stand. Ta-Kumsaw packte seine Hand, legte den anderen Arm um Geschichtentauscher, drückte ihn eng an sich. Ihre Beine verworben sich miteinander; ein Außenstehender hätte wohl kaum noch feststellen können, wem welches Bein gehörte. Geschichtentauscher spürte den Herzschlag des roten Mannes, sein Rhythmus wirkte auf Geschichtentauschers

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